Eigentlich wollte ich jetzt über den jüngsten Grand Prix d’Eurovision sprechen und das König der europäischen Schlagerschlacht. Weil La Wurst derzeit praktisch über die alleinige Medienhoheit verfügt, verzichte ich vorerst darauf. Sorry, Elaiza, eure Musik ist super und der Eurovision Song Contest so berechenbar wie - genau - wie das aktuelle Wetter.
Dimmer, Rolladen und Glühbirnen hauchen derzeit reihenweise ihr Leben aus, weil sie permanent überlastet sind. D a s Smalltalk-Thema schlechthin liefert im Minutentakt Stoff für die nächsten Monate: Standard-Situation jeden
Telefonats mit Eltern, Tanten, Freunden, Lehrern, dem Dachdecker, der
Verkäuferin im Sex-Shop, im Wartezimmer beim Zahnarzt, bei Tagungen,
Polit-Sendungen und Fake-Hartz 4-Shows ist ein ausführlicher Dialog über die Witterung. Dummerweise herrscht hier
in Mitteleuropa ein Klima, das innerhalb weniger Stunden locker Material für
tagelange Diskussionen liefert. In den Tropen erschöpft sich eine vergleichbare
Unterhaltung deutlich schneller als bei uns. Ich persönlich finde es ermüdend,
gefühlte fünfzig Mal am Tag die Wolken von vorgestern zu analysieren. Erstens
nützt es nichts, zweitens lebe ich in einem zivilisierten Land mit guter
Kleidung, beheizten Häusern und hervorragenden Autos, drittens bin ich kein
Landwirt. Fällt die Spargelernte aus, esse ich etwas anderes.
Warum ich mich heute trotzdem über den Zustand unserer Atmosphäre hermache ist ein lange gehegter Groll gegen den Ausdruck „April-Wetter“. Leute, habt ihr in den letzten Tagen aus dem Fenster gesehen? Wonnemonat Mai, dass ich nicht lache. Besonders beliebt vor allem bei jungen Frauen, die ab frühester Kindheit minutiös ihre Hochzeit in diesem Zeitraum planen. Ausführliche Spaziergänge am Wochenende? Vergiss es! Am Muttertag, ließen Kinder Drachen steigen. Mir war‘s zu windig, deshalb haben wir unseren Ausflug abgekürzt, wodurch uns eine Regendusche mit anschließender Hagelmassage erspart blieb. Heute ist es so eklig wie die Tage zuvor und den Rest der Woche. Unmittelbar danach soll angeblich der Sommer bei uns einkehren. Das bedeutet dann wieder von 5 auf 35°C - Achterbahn umsonst und gratis.
Also warum zum Henker heißt es
„April, April, der macht, was er will“? Jeder andere Monat hat meteorologisch
betrachtet mehr Launen. Achten Sie mal darauf! Wie war bei Ihnen zum Beispiel
der Muttertag. Oder der erste Mai? Und nicht nur in diesem Jahr. Warum wohl
sind die Eisheiligen im Mai zu finden. Eisige Erna klänge phonetisch ansprechender als kalte Sophie. Die Dame wurde wohl als Schlusslicht der kalten Jahreszeit ausgewählt, bevor der Hype auf den Mai begann. Mir gefällt das Frühjahr am besten
, und April ist d e r Frühlingsmonat schlechthin. Niemand
erwartet Badetemperaturen oder meterhohen Schnee oder was sonst immer die
Besonderheiten der Jahreszeit sein mögen. Wir haben wunderschöne Wiesen mit
Schlüsselblumen, nehmen gewohnheitsmäßig immer noch, auch bei Sonnenschein, eine Jacke mit, manchmal sogar
den Regenschirm - und meistens umsonst. Ich bin im April geboren. Seit vielen Jahren beobachte ich die April-Verleumdung, anfangs kritisch, inzwischen mit stetig steigendem Missfallen: Keine
Orkanböen mit Hagelstürmen, weder Eisregen noch Schneetreiben. Hingegen im ach
so schönen Mai? Zieht man Winterjacke und Schneeschippe raus.
Achten Sie mal darauf. Und dann
überlegen wir gemeinsam, wie wir so richtig übles Mistwetter in Zukunft
politisch korrekt nennen.
P. S.: Gibt es in Island eigentlich
auch einen Jahreszeitenbeauftragten?