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Samstag, 16. Juni 2012

Die Rache des Herrn Brabang

Kennen Sie Gerhard Polt? In seinem Programm „Standort Deutschland“ von 1997 gibt es eine Episode über Herrn Brabang, den asiatischen Gläserspüler, der den deutschen Gastronomen billiger kommt als ein Geschirrwäsche-Vollautomat.

Vor einigen Wochen stand ich morgens in unserer Büroküche und spülte Gläser und Tassen. Wir haben in letzter Zeit viele Besprechungen, und unsere Putzfrau, die sich auch um die Küche kümmert, bekommt Nachwuchs. Deren Vertretung erscheint nur ein- bis zweimal die Woche. Meine Kollegin wiederum hat schlaflose Nächte aus Angst, die Reinigungskräfte seien unterbeschäftigt, wenn wir zwischendurch selbst die Spülmaschine einschalten. Die Tassen würden noch bis übermorgen ausreichen ... Dumm nur, wenn sich ein paar unangekündigte Meetings dazwischen schieben. Infolgedessen stehen wir regelmäßig ohne sauberes Geschirr da.
So kam es, dass ich um halb neun in der Früh unser Bürogeschirr spülte, während im Besprechungsraum VIP-Kunden mit unserem chinesisch-stämmigen Controller und unserem Projektleiter und künftigen Niederlassungsleiter kantonesischer Abstammung über Zahlenkolonnen und potentielle Marktchancen in Asien fachsimpelten.

Ein Freund meinte, Stuttgart 21 dürfe schon aus politisch-taktischem Kalkül keinesfalls gestoppt werden, sonst müssten seine Kinder später in China Brücken bauen. Längst gefällte Beschlüsse, zukunftsweisendes Bauvorhaben etc. pp.

Vielleicht ist es aber genau umgekehrt: Weil bei uns alles so umständlich ist, ewig dauert und oftmals weder sinnvoll noch durchdacht, geschweige denn sorgfältig geplant ist, sondern rein persönliche Interessen verfolgt werden, stehen wir heute hart am Abgrund in die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit. Wir halten uns damit auf, uns wortreich beim Metzger zu beschweren, dass ausgerechnet „unsere“ Fleischsorte aus ist, anstatt umzudisponieren und etwas anderes zu nehmen. Wir rennen so lange herum, bis wir das günstigste Angebot eines Produkts gefunden haben, und nehmen dafür in Kauf, dass Fachgeschäfte mit Qualitätsanspruch eingehen und nur mehr billige Massenware übrig bleibt.

Herr Brabang muss sich jedenfalls nicht mehr einem Schilfrohr gleich ducken. Er hat wahrscheinlich längst das Wirtshaus übernommen und bietet darin taiwanesische Spezialitäten zu horrenden Preisen an. Der frühere Eigentümer dagegen verbringt seine Freizeit, also vierundzwanzig Stunden am Tag, am Ostbahnhof oder am Klagenfurter Platz.

Einen Vorteil haben wir noch: Wir wurden zur Kreativität und zum Mitdenken erzogen. Deshalb schalte ich die Spülmaschine bei der Arbeit einfach ein, wenn diese voll und der Schrank leer ist. Ganz egal, ob unsere Serviceleute alle vom Blitz erschlagen wurden oder zehnmal in der Woche antreten!

Und Stuttgart 21? Tröpfelt vor sich hin. Ich bin noch immer fest davon überzeugt: Manchmal wäre ein Rückschritt der größere Fortschritt.

Tipp: http://www.youtube.com/watch?v=d7VUhZbOVHc

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