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Freitag, 10. Februar 2012

Neue Gesetze braucht das Land

Leserbrief im Münchner Merkur, Februar 2012: Eine Einheimische und ihre Arbeitskollegin in Russland schicken sich jedes Jahr Weihnachtspakete. Das Paket aus Russland liegt derzeit noch beim deutschen Zoll. Eventuell darf der Inhalt (eingelegte Gurken u. ä) nicht eingeführt werden. Auf den Vorschlag der Russin, den Zollbeamten „gnädig zu stimmen“, reagiert die bayerische Kollegin mit Empörung: Bestechung sei bei uns verpönt. Die russische Kollegin verwies darauf lachend auf den Leit-Wulf der Deutschen, der sich gern hie und da gnädig stimmen lässt.
Ist es nicht wunderbar? Unser Bundespräsident, der oberste Mann im Staat, die höchste Instanz in unserer Politik, sorgt für ein komplett verändertes Werte- und Weltbild. Europaweit!
Es regnet Vorwürfe, Beispiele und jede Menge erdrückende Beweise. Und er schweigt und schweigt und schweigt. Seine Anwälte geben Stellungnahmen ab, verfasst wie Zeugnisse: Der wahre Inhalt wird verschwiegen, übrig bleiben nichtssagende Worthülsen. Nach noch mehr Vorwürfen und weiteren Beweisen erfolgt eine neue schriftliche Stellungnahme. Vorkommnisse werden eingeräumt (mein Vorschlag als Unwort 2012). Die sind natürlich alle nicht strafbar, längst verjährt, und überhaupt ist alles nicht so, wie es den Anschein hat!
Er bekommt Hotelzimmer, Ferienwohnungen, Urlaube und Kindermädchen bezahlt, und begleicht hinterher beim Kreditgeber die Summe in bar, egal ob es sich um ein paar Hundert oder tausend Euro handelt. Groß sind die Taschen seines Anzugs.
Ist zwar alles nicht belegt, aber bitteschön, so etwas ist doch Ehrensache unter Ehrenmännern. Ehrenmänner wie Carsten Maschmeyer, der damit reich geworden ist, dass Langzeitarbeitslose achtzigjährigen Witwen Bausparverträge und Lebensversicherungen verkaufen.
Es gibt Beziehungen, die es zuerst nicht gab, dann doch, aber - klar - vollkommen anders. Es gibt Kredite über Summen, die für den eigentlichen Verwendungszweck gar nicht benötigt wurden, zu Zinsen, bei deren Nennung ein normaler Banker kollabiert.
Zu allem Überfluss lobt die zweithöchste Instanz unseres Landes die höchste für dieses Verhalten und betont ganz besonders die Transparenz, mit der unser Bundesprä...ppprä..., also der Leit-Wulf, bei der Aufklärung dieser enormen Ansammlung von Missverständnissen und Fehlinterpretationen mithilft.
Vielleicht liegt es daran, dass Madame M in einem Land aufgewachsen ist, in dem Regeln und Gesetze anders ausgelegt und gelebt wurden als hier. Menschen werden mit zunehmendem Alter oftmals sentimental. Möglicherweise sehnt sie sich nach ihrer heilen Jugend zurück und versucht nun, ein paar Sitten und Gebräuche herüberzuretten.
Übrigens glaube ich, dass Jurist der Beruf der Zukunft ist. Denn es wird sich in den kommenden Jahren viel bewegen in der deutschen Rechtssprechung. Alte Gerichtsverfahren werden neu aufgerollt, neue Verfahren aufwendiger und langwieriger sein als bisher. Immerhin sehen wir uns vor einer ganz neuen Sachlage: Man darf nehmen, was man bekommt. Die Müllmänner dürfen ihr Weihnachtstrinkgeld behalten, Polizisten und Beamten akzeptieren Geschenke. Bestechung gibt es nicht mehr. Man kann es ja gleich zurückgeben! In bar und ohne Zeugen. Ich bin sicher, das bekommt jeder hin.
Zuallererst jedoch schaffen wir die Belegpflicht ab! Wenn ein Bundespräsident keine Belege braucht, dann gilt das doch wohl für uns alle.

Dabei erinnere ich mich an einen Urlaub im Prä-Berlusconi-Italien, wo uns der Kellner die Quittung für unsere Eisbecher über fünf Mark zwanzig regelrecht aufgezwungen hat aus Angst vor der Steuerfahndung. Das ist lange her. Man sieht, Europa verändert sich und rückt zusammen. Hier Betrug, dort Korruption, und eine kleine Vorteilsnahme gibt es gratis obendrauf. Aber bitte nicht vergessen: Alle Tiere sind gleich. Und manche Tiere sind gleicher.

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