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Donnerstag, 20. Januar 2011

Die Vorteile des Älterwerdens

Es gibt sie tatsächlich, die Vorteile des Älterwerdens. Wenn man in einer Branche tätig ist, bei der die äußere Erscheinung nicht wichtig, sondern maßgeblich ist, neigt man dazu, extrem kritisch auf die üblichen Veränderungen im Gesicht und bei der Figur zu achten. Es gilt die goldene Regel "immer jung, immer schick, immer sexy". Wobei das Leben netterweise beiden Geschlechtern zumindest in diesem Punkt gleich übel mitspielt. Der Druck, optisch das absolute Optimum zu bieten, ist unglaublich hoch. Spätestens in dem Moment, wenn man sich als Frau mit Kleidergröße 36/38 dabei ertappt, verschiedene Diät-Programme auf deren Tauglichkeit für sich selbst zu prüfen und sich mit Kollegen über Schönheits-OPs so selbstverständlich unterhält wie über das Wetter, wird einem bewusst, dass die Sorge um das Erscheinungsbild bei weitem dessen tatsächliche Bedeutung übersteigt.
In solchen Momenten versuche ich zu reflektieren, wie es mit zwanzig oder fünfundzwanzig war. Und ob ich tatsächlich tauschen würde.
Die Antwort ist jedes Mal ein Nein mit drei Ausrufezeichen. Ich möchte um keinen Preis der Welt dorthin zurück. Was ist in der Zeit passiert? Ich habe ein Studium absolviert und erfolgreich beendet. Ich hatte die Chance, jede Menge Berufserfahrung in verschiedenen Branchen zu sammeln. (Nicht jede davon taucht in meinem Lebenslauf auf.) Mein Anhang hat sich von null auf drei Personen vergrößert. Ich habe viel erlebt, viel Spaß gehabt. Und: ich bin in schwierigen Situationen nicht mehr versucht, aus lauter Panik in den nächsten Zug mit unbekanntem Ziel zu flüchten. Irgendwann in den vergangenen zehn Jahren habe ich gelernt, innerlich loszulassen. Nicht von hochfliegenden Plänen, was die Zukunft anbelangt. Ich habe gelernt, mich mit der Unausweichbarkeit von Kleinigkeiten abzufinden. Wenn eine S-Bahn-Störung die Fahrt auf unbestimmte Zeit verschiebt und mein Handy nicht in der Handtasche, sondern zuhause ist. Wenn ich in einem Stau unbekannter Länge und Dauer feststecke. Mit zwei kleinen Kindern auf der Rückbank und ohne die übliche Notausstattung in Form einer Wasserflasche und Butterkeksen. Wenn ich vor Weihnachten tausend Dinge zu erledigen habe und nicht einmal die Hälfte meiner ToDo-Liste in der vorgesehenen Zeit schaffe. Oder wenn ich meine absoluten Traumschuhe im Schaufenster entdeckt habe und erst Wochen später die Gelegenheit finde, sie anzuprobieren - sollten sie bis dahin in meiner Größe (38) noch da sein.
Zugegeben, es sind nur die kleinen Tücken das Alltags, die mir heute deutlich weniger zu schaffen machen als früher. Doch es sind Kleinigkeiten, die für einen Perfektionisten ähnlich katastrophal sind wie ein Wasserrohrbruch im Keller. Und es ist ein Anfang! Ich lerne loszulassen von einer Idee, einer Vorstellung, einem Gedanken. Je älter ich werde, desto besser klappt es.
Ich darf nur nicht an meinen nächsten Geburtstag denken. 

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