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Dienstag, 15. November 2011

Die Guten und die Bösen

Kennen Sie die Schlange Kaa aus dem Dschungelbuch? Sehen Sie sich die Szene einmal an, in der sie Mogli verzaubert. Am besten im Originalton. Sie windet sich gekonnt durch einen Baum und hypnotisiert ihr Gegenüber mit einem verwirrenden Blick. Dazu säuselt sie verführerisch „Trust in me“ - vertrau mir! Vertrau mir doch... Ich mache nichts. Entspann dich.
Genauso fühle ich mir zurzeit. Von kreiselnden Augen verschaukelt und von säuselnden Stimmen eingelullt, die mir erzählen, dass alles gut sei und ich ihnen getrost glauben könne. Schafft man es, sich aus der Starre zu lösen, reibt man sich verwundert die Augen ob der verkehrten Welt, in der wir leben.
Nehmen wir zum Beispiel ganz pauschal die Bank: Einst ein Hort der Seriosität und fast schon sakrosankt. Ehrfürchtig zog man gute Kleider an für einen Termin in den heiligen Hallen. Heute misstraut man sogar dem neuen Azubi, der einem freundlich die Tür öffnet. Ist mein Geld morgen noch auf meinem Konto? Oder existiert es inzwischen gar nicht mehr, weil die hohen Feldherren und Ackermänner wild damit spekuliert haben? Selbstredend nicht zu deren Ungunsten. Die Boni - jedenfalls die der obersten Etage - sind garantiert, wie wir aus der Vergangenheit wissen. Im Gegensatz zu den Einlagen des Durchschnittsanlegers - auch dies haben die meisten von uns in jüngerer Vergangenheit schmerzhaft erfahren müssen. Mein sauer Erspartes, ist es vielleicht schon lang beim Teufel, investiert in ukrainische Seidenplantagen, arabische Skihallen und die Grundsteinlegung des Mount Everest II mitten in Holland?
Die beste Kaa-Imitation vollbringen derzeit allerdings - wieder einmal unangefochten - unsere Politoberen. Jahrelang werden reihenweise Attentate verübt, Bomben gezündet, Imbissbuden-Betreiber und Polizisten kaltblütig hingerichtet. Lauter ungelöste Kriminalfälle verunsichern die Bevölkerung und jeder denkt, das kann auch mich treffen. Dann begehen ein paar geisteskranke Nazis Selbstmord und plötzlich stellt sich heraus, dass es eine Gruppe von braunen Terroristen war, die gänzlich unbehelligt von staatlicher Gewalt viele Jahre lang ihr Unwesen treiben konnte. Doch hiermit nicht genug. Sie wurden über irgendwelche dunklen Kanäle und V-Männer des Verfassungsschutzes, ja, was eigentlich? Ausspioniert? Überwacht? Wohl eher erfolgreich unterstützt. Bei sechs Morden war ein Verfassungsschützer etwa zur Tatzeit am Tatort gewesen. Was für ein Hohn für die Normalbürger und vor allem auch die Beamten, die jeden Tag ihr Leben aufs Spiel setzen! Verfassungsschutz - was ist das? Eine Einrichtung, die Schwerverbrechern die Arbeit erleichtert offensichtlich. Und was ist folglich unsere Verfassung? Das Grundgerüst unserer Demokratie. Das, worauf manche Menschen in unserem Land schwören. Unbestreitbar ist ein Verfassungsschützer jemand, der für die Einhaltung der Verfassung in Deutschland sorgen sollte.
Ich glaube, ich habe was nicht mitbekommen. Die säuselnde Schlange hat mich vollkommen davon abgelenkt, dass hinter dem Klappentext der deutschen Verfassung irgendwas von „unser Kampf“ steht. Oder so ähnlich.
Dass wir nach Strich und Faden belogen werden und unsere Politiker und die Wirtschaftsgrößen sich auf Vertragsrecht berufen, erscheint so in einem völlig neuen Licht. Wahrscheinlich steht hinter dem Buchdeckel „Vertragsrecht“ gleich auf der zweiten Seite, direkt hinter dem Einband, „das Recht, das bin ich“ oder so ähnlich. Warum nur empfinde ich keine Angst, obwohl man sich doch unwillkürlich fragt, was als nächstes kommt? Ach ja, die Folgen der Hypnose.
Ich überlege, einen Eigenversuch zu starten: Ich mache meinen Chef unschädlich. Möglicherweise trägt mir das den Verdienstorden 1. Klasse ein.
Es gibt nur ein Problem: Ich fürchte, ich bin nicht besonders gut im Hypnotisieren. Vielleicht sollte ich üben. Dringend sogar. Gibt es Kurse bei der VHS?

Wer sich nicht an Kaa erinnern kann, hier ist sie:
http://www.youtube.com/watch?v=sZurYr5qQEY

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