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Mittwoch, 4. Juli 2012

Mein Leben als Stier: Ich und Europa

Europa wächst zusammen, zu einer starken Gemeinschaft. Seit 2002 haben die verschmelzungsbedürftigen Staaten der Europäischen Gemeinschaft nach langjährigen Verhandlungen und Anläufen auch das Geld zusammengelegt: zum Euro. Ursprünglich als Ecu gedacht und bis heute mit mehr Skepsis als Begeisterung akzeptiert. Gebracht hat er uns in Deutschland anfangs vor allem eine gewaltige Inflation. Bei vielen Preisen wurde nicht die Zahl, sondern lediglich die dahinter stehende Währung geändert. Die Gehälter wurden nicht mit Faktor 1:1 umgerechnet. Für mich persönlich lag der Vorteil im Wegfall des lästigen Geldwechselns vor Reisen, sowie des daraus resultierenden Mitführens mindestens drei verschiedener Devisen, wollte ich für ein paar Tage nach Italien oder Frankreich. Drei Geldbeutel waren nicht die Ausnahme, sondern einzig funktionierende Lösung, um halbwegs den Überblick über die Urlaubskasse zu behalten. Dafür gibt es heute keine Anekdoten mehr, wie das Kilo Pfirsiche, das ich mir in Riva für umgerechnet acht Mark „gönnte".
Aber die Europäische Gemeinschaft bringt uns auch in anderen Bereichen Änderungen. Zum Beispiel gibt es inzwischen in den deutschen und österreichischen Bergen auf Almen kaum noch eigene Milch oder Buttermilch zu kaufen. Die EU hat‘s verboten! Zu unhygienisch. Es sei denn, der Senn kleidet seine Milchküche auf zweitausend Metern komplett mit Edelstahl aus und bestellt einen professionellen Reinigungsservice, der dreimal täglich mit antibakteriellem Hochdruck durchputzt. Bei den Metzgereien, auch denen hier im Tal ist es ähnlich. Je gewaltiger die Produktion, desto glücklicher die Kontrolleure. Hausschlachtungen sind längst verboten. Und kein Kind kann mehr fasziniert zusehen, wie Hennen ohne Kopf durch die Gegend schießen.
Gebracht hat uns die Union außerdem so wunderbare Sachen wie ein paar Pleiteländer, mit denen wir außer der Währung jetzt auch die Schulden teilen, starken Zuwachs bei der Kriminalität aufgrund der Auflösung von Grenzen, ganz viele tolle neue Inhaltsstoffe in Lebensmitteln, die früher in Deutschland gar nicht erlaubt waren ... und natürlich das G8. Auch hier gilt: Wir passen uns den Gepflogenheiten unserer Nachbarn an. Der Erfolg dieser Angleichung war und ist mehr als zweifelhaft, aber egal! In der Fachsprache nennt sich das übrigens Schulreform. Reformiert wurde allerdings nicht die Schule, sondern die Stoffverteilung: Möglichst viel (oder noch mehr) reinstopfen in die kleinen Köpfe in möglichst kurzer Zeit. Die Einschulung von Fünfjährigen ergänzt die angestrebte Verkürzung der Ausbildung ideal. Ein abgespecktes Studium beendet den Reigen, und fortan sind unsere Führungskräfte zweiundzwanzigjährige Hochschulabsolventen. Kein Wunder, dass unsere Kinder mit fünf aufgeklärt sind und mit elf das erste Mal Sex haben. Wie sollen sie denn sonst ihre Pubertät bis zum Beginn des regulären Arbeitslebens hinter sich bringen.
Ich gebe zu, ich schiele ein wenig neidvoll auf die benachbarten Inselbewohner nordwestlich und südwestlich von uns. Vielleicht war bei der Abschottung gegen die allgemeine Gleichschaltung, ups, ich meine natürlich die allgemeine Angleichung die geographische Situation hilfreich. Die einen sind umgeben von Bergen, die anderen von Wasser, und alle haben sie, unterstützt durch einen natürlichen Schutzwall, wohl eher das Selbstbewusstsein, sich gegen Assimilation zu wehren.
Und während wir damit beschäftigt sind, uns überall anzupassen, werden in anderen Ländern mehr Kinder geboren, mehr Goldbarren vergraben, mehr Schulden gemacht und viel mehr Feste gefeiert.   

Ha здоровье!

(Ob mehr Flughäfen und Bahnhöfe gebaut werden, entzieht sich meiner Kenntnis. Das werde ich bis zum nächsten Mal recherchieren.)