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Sonntag, 22. Juni 2014

Psychofolter Alltag

Unsere Gefängnisse sind voll. Mit Dieben, Lügnern, Vergewaltigern, Mördern, Steuerschuldnern... Alle, oder wenigstens die meisten davon wurden rechtmäßig entsprechend unserem BGB geahndet und verurteilt. Natürlich finde ich es völlig in Ordnung, dass ein Kinderschänder hinter Schloss und Riegel landet. Ich könnte noch besser damit leben, müsste er mit ein paar Rockern als Bettnachbarn einsitzen. Von einigen Ausnahmen abgesehen funktioniert der Arm des Gesetzes bei uns ganz gut, und Kapitalverbrecher werden oftmals als solche dingfest gemacht und weggesperrt.

Aber was ist mit den Verbrechern, die mein tägliches Leben zur Hölle machen? Welche Strafe bekommt der unselige Erfinder weißer Küchenfronten mit Zierleisten? Schmort der schon längt im Gefängnis? Oder noch besser im Fegefeuer? Denn da gehört er hin. So etwas kann sich nur ein Sadist ausdenken. Haben Sie eine Küche mit weißen Fronten und Zierleisten? Ich schon. Sie gehört zu unserer Wohnung. Allerdings sind die Fronten und vor allem die Kanten der Zierleisten nicht wirklich weiß. Sie sind gelb (Eigelb, Breie, Säfte), schwarz (angeklebter Staub), braun (Kaffee, Kaba, sonstige dunkle Flüssigkeiten). Und sie sind niemals sauber zu bekommen. Weder mit Akopads noch mit der Zahnbürste. Keine Chance, die lebenden Beweise unserer Nahrungszubereitung jemals rückstandslos zu entfernen.

Fehlgeleitete Produktentwickler und -Designer machen mir - und vielen anderen - das Leben schwer. Täglich! Es gibt so viele gute, aber in ihrer aktuellen Beschaffenheit zum Folterwerkzeug mutierte Erfindungen, die mich an scharfe, spitze Gegenstände und weiche Körperteile denken lassen. Eigentlich müsste ich dankbar sein, dass es Waschmaschinen und Wäschetrockner gibt. Eigentlich... Statt dessen empfinde ich blanke Aggression gegen die Schöpfer dieser Dinge, die meine Oma als Erfindung des Teufels bezeichnete. Meine Oma war eine kluge Frau. Ein Standard-Waschgang dauert bei meiner Maschine über eine Stunde. Dazu kommen mindestens 90 Minuten Trockenzeit. Das sind mit Ein-, Um- und Ausladen gut drei Stunden für eine Ladung Wäsche. Bei einem Fünf-Personen-Haushalt sind wöchentlich etwa vier bis fünf Waschladungen fällig, also 15 Stunden Wäsche pro Woche! Was für eine Verschwendung. Warum gibt es keinen Express-Waschgang, der in 20 Minuten alles fix durchschleudert? Ich fürchte, es liegt (auch) daran, dass Waschmaschinen von Frauen bedient werden (Single-Männer ausgeschlossen), aber von Männern entwickelt. Keine Frau, die bei klarem Verstand ist, überlässt freiwillig ihrem Mann die Wasch-Programmierung von Kaschmirpullovern, Seidenschals und Dessous. Wir haben den Selbst-Versuch gewagt: Mein Mann, eine Waschmaschine und meine weißen T-Shirts. Den Rest überlasse ich Ihrer Fantasie. Derzeit verbringe ich gefühlt den größten Teil meiner Freizeit in unserer Waschküche. Ganz ehrlich, ich wüsste durchaus was Besseres mit meiner Zeit anzufangen. Das ist ein klarer Fall von Freiheitsberaubung! Millionen von Frauen opfern täglich wertvolle Lebenszeit. Die lästige Bügelei habe ich dabei noch gar nicht berücksichtigt.

Als ob die Arbeit selbst noch nicht schlimm genug ist, sind die dazu nötigen Geräte meistens auch noch abgrundtief hässlich. Ästhetik, doch nicht für langweilige Hausarbeiten! Bleiben wir beim Bügeln: Gibt es irgendwo coole Werbeplakate mit „Haben-Wollen-Bügeleisen“? Diesen seltsamen Trendbegriff belassen wir mal hübsch bei passenden Autos und Smartphones. Der Red-Dot-Award für ein Bügelbrett? Glatte Verschwendung: Ein Bügelbrett ist nicht sexy.

Viele weitere Gebrauchsgegenstände beleidigen mein Auge täglich aufs Neue: Fahrrad-Kindersitze zum Beispiel. Kein Mann, der diesen Namen verdient, schnallt sich freiwillig einen Griechen auf sein 4.000-€-Hightech-Mountainbike. Mutti schon. Zum Glück sind Fahrräder ohnehin ein frauenfeindliches Ressort. Da macht der hässliche Sitz den Kohl nicht fett. Seit frühester Teenie-Zeit fahre ich am liebsten Herrenmodelle. Damenräder sind weniger stabil wegen des tiefen Einstiegs. Als wäre das nicht schlimm genug, kann man ästhetisch ansprechende Damenmodelle an einer Hand abzählen. Für Männer gibt es sämtliche Varianten in erträglichem bis wunderschönem Design. Schicke Damenmodelle habe ich genau drei gefunden. Und dafür habe ich stundenlang am Laptop sämtliche europäischen Suchmaschinen durchforstet. Wo die Dinger verkauft werden, weiß ich noch immer nicht.
Bei Motorrädern wundere ich mich schon gar nicht mehr, dass deren Entwicklung konträr zur weiblichen Physiognomie verläuft. Motorräder sind Fahrzeuge und Fahrzeuge werden von Männern gemacht. Andererseits liegt der Frauenanteil beim Führerschein bei 50 %. Ein leichtes Motorrad wiegt heute knapp 200 Kilogramm. Ich absolute Durchschnittsfrau komme nicht einmal auf ein Drittel dessen. Fahren geht gut, aber zwischendurch sollte ich das Ding doch auch mal ohne Motor bewegen können. Nur wie?

Warum wurde eigentlich der Pranger abgeschafft? Wäre doch ganz nett, die Verursacher, diese Sadisten und Quälgeister, die unser Leben zur Hölle machen, dort ab und zu dem Frust der Betroffenen auszuliefern. Wir hätten garantiert ein paar weniger valium- und prozacabhängige Mitbürger. Vielleicht würde sogar mancher Platz in der Nervenheilanstalt frei.

Und wo ich gerade so schön in Fahrt bin: Wer wagt es, sich über eine Frauenquote von 3 % aufzuregen? Von mir aus wird die Geschlechtsklausel auf 100% erhöht, gleich morgen. Gern in Verbinden mit der Bedingung, dass die weiblichen Entscheider mindestens zwei Kinder haben müssen, besser noch drei oder vier, und pflegebedürftige Angehörige. Ausschlusskriterien sind Haushaltshilfen und ein sechsstelliges Jahresgehalt.
Wetten, dass künftig zur Grundausstattung von Häusern neben Türen und Fenstern Wäscherutschen aus jeder Wohnung direkt in den Keller gehören und Tiefgaragen mit Tor-Automatik. Es gäbe optisch ansprechende UND praktische Fahrräder, Kindersitze, Kinderwagen usw. zu einem bezahlbaren Preis. Geschmackvolle Designer-Rollatoren, -Rollstühle und -Krankenhausbetten, Waschmaschinen mit Express-Programm, und Küchenfronten, die keinen Schmutz annehmen.
Für Autos gibt es das längst!