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Donnerstag, 2. August 2012

Hey, duda, Zschipfel!

Die Zeit rast dahin. Ich bin wochenlang nicht zum Schreiben gekommen. Inzwischen weiß kaum noch jemand, wer bei der Fußball-EM 2012 Posing-Geschichte geschrieben hat (Balotelli) oder dass Griechenland niemals Pleite gehen darf (Wolfgang Schäuble). Die Tour de France ist zu Ende. Der Sieger? Derjenige, der am besten gedopt war! In London gibt es derzeit neben den Kronjuwelen der Queen und denen von Robbie Williams jede Menge Olympioniken zu bestaunen. Allerdings waren auch hier lange vor der offiziellen Eröffnung die ersten Ausfallerscheinungen zu verzeichnen. Einige dürfen gar nicht erst hin, weil sie rassistisch sind, die anderen müssen wieder nach Hause, weil sie positiv sind, und die deutsche Presse schwankt in gewohnter Manier zwischen Begeisterung und Entsetzen über unsere Vertreter. Die Schwimmer haben enttäuscht! Die deutschen natürlich. Ich vermute an den weniger guten Plätzen allerdings kein falsches Training, sondern mangelnde medikamentöse Unterstützung. Es gibt ja auch viele Erfolge zu vermelden; nur eben in weniger „doping-lastigen“ Disziplinen. Das kennen wir doch schon. Franzi van Almsick verschwand vor fünfzehn Jahren fast zwischen der chinesischen Konkurrenz gleichen Geschlechts. Oder eben auch nicht. Wer weiß das schon so genau.
Eine traurige Nachricht der vergangenen Tage war die Todesnachricht einer deutschen Schauspielerin, die spezialisiert war auf sogenannte „schwierige Charaktere“, Susanne Lothar. Ich fand sie als Mensch sehr sympathisch, wenn ich auch nie den Zugang zu ihrer Kunst finden konnte. Von ihrem hochgelobten Auftritt als Lulu habe ich mit etwa zwölf  Jahren Ausschnitte im Fernsehen gesehen, und es war mir absolut unverständlich, was daran toll sein sollte. Eine Frau mit Hängebrüsten wälzte sich über die Bühne, mal flüsternd, mal schreiend. In dieser Hinsicht bin ich ein Kunstbanause geblieben. Was sie danach an Film- und Theaterrollen spielte, entspricht ebenfalls nicht meinem Geschmack: Verstümmelte Psychiatrie-Insassen, die Geschichte einer zu Tode gefolterten Familie oder ein zerstrittenes Paar nebst tiefgekühlter Hand im Gefrierschrank. Eine Theater-Garderobiere sprach die Schauspielerin einst an, sie sei es leid, das Erbrochene der Zuschauer aufzuwischen, die es nicht mehr bis zur Toilette schafften. Was jemanden reitet, sich solch ekelerrende Filme und Theaterstücke anzusehen, ist für mich schwer nachzuvollziehen. Ich möchte gewaltfreie Unterhaltung: Witzige Dialoge, interessante Persönlichkeiten, gern garniert mit Küssen und Sex, und mein Filmabend ist perfekt.  Keine Waffen, kein Horror und keine Psychothriller, sonst kann ich nachts nicht schlafen. Ich bin ein Weichei und stolz darauf. Unter anderem auch, weil ich nicht glaube, dass die Seele unbeschadet bleibt, wenn man sich ständig mit schlimmen Geschichten und Greueltaten auseinandersetzt. Ich will damit nicht sagen, dass alle Menschen, die Horrorfilme mögen, irgendwann loslaufen und andere Menschen niedermetzeln. Ganz bestimmt nicht alle.
Tatsache ist, dass eine Schauspielerin, die fast nur zerbrochene Figuren darstellt, im Alter von gerade mal fünfzig Jahren stirbt. Kurz nach ihrem Mann und Filmpartner, auch dieser spezialisiert auf tragische Rollen. Wenige Jahre nach einem anderen ihrer Schauspielpartner, auch dieser abonniert auf finstere Gestalten in Psychodramen. Und etwa zehn Jahre nach der Dramaturgin, die das Stück über den sadistischen Psychologen verfasst hat, bei dem sich Zuschauer im Theater übergeben müssen: Sarah Kane. Sie hat mit 28 Jahren den Freitod gewählt. (Sie erhängte sich in einer psychiatrischen Anstalt.)

Vielleicht ist das der Preis von Genialität: Hochgepriesene Geschichten, die so außergewöhnlich sind, dass die Begeisterung das Entsetzen überwiegt. Aber wie kann man sich solche Geschehnisse ausdenken oder derart überzeugend darstellen, ohne dass die eigene Persönlichkeit dabei leidet? Stephen King durchsucht jeden Abend sein ganzes Haus nach unerwünschter Gesellschaft.

Susanne Lothar war eine sehr sympathische Frau und sicher eine großartige Schauspielerin. Vielleicht hätte ihr ein bisschen mehr „Pretty Woman“ und weniger „Ultra-Othello“ ganz gut getan.

Christoph Maria Herbst ist nicht mein Lieblingsschauspieler. Es könnte an Stromberg liegen, jedenfalls geht es mir wie Jake Blues mit dem Bullenauto: Ich mag ihn nicht. Aber nach vielen brillanten Filmen gestehe ich ein: Er ist gut. Und das bringt er zum Glück auch in lustigen Rollen und als Synchronsprecher zum Einsatz. Qualität lässt sich auch weit nach Heinz Erhardt noch mit Unterhaltung verbinden.

Ich hatte gerade eine Erleuchtung: Das nächste Regen-Programm für meine Kinder ist „Willkommen bei den Schti‘s“. Aber schisser!

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