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Mittwoch, 15. Juni 2011

Menschen in Schubladen

Es heißt, man darf sie da nicht hineinstecken. Toleranz ist das Motto unseres Jahrhunderts. Jeder soll nach seiner Façon glücklich werden. Dafür bin ich auch, unbedingt! Ich bin sogar ausgesprochen tolerant! Solange jeder Mensch eine kleine Insel für sich allein besitzt und keinen anderen mit seinen Marotten belästigt. Nach den jüngsten Bewegungen unserer tektonischen Platten stehen die Chancen dafür ganz gut. Das Problem der zunehmenden Bevölkerungsdichte dürfte sich mit einigen Spaltungen ebenfalls lösen. Bis es so weit ist, muss ich mich aber noch ein bisschen aufregen über die manchmal schwer erträglichen Eigenheiten und Macken meiner Mitmenschen.
Es gibt sie in allen Lebensbereichen (Arbeit, Familie, Freizeit): Personengruppen, auf die ich gut verzichten könnte.
1. Der Schwätzer: notorisch unterwegs mit dem größten Auto, der schönsten Frau, dem besten Job und dem coolsten Lifestyle (gern in der Loooontsch). Nach der kürzestmöglichen Einleitung (»Hi«) folgt ein ausführlicher Exkurs über die eigene Befindlichkeit. Gefolgt von der detaillierten Erläuterung der Gründe für diesen Zustand. Wie, was und warum ist dabei Nebensache. Will der aufmerksame Zuhörer doch in allen Belangen wissen, was für ein Superheld ihm da wertvolle Stunden seiner Zeit widmet. Eine gute Fluchtmöglichkeit ist der Satz „ich muss jetzt zu meiner Ehec- (Noro-/ Ebola-) Nachsorge und prüfen lassen, ob ich noch ansteckend bin“.
2. Der Pleitegeier: finanziell stets am Ruin, egal, wie hoch das Einkommen ist. Mit fünfhundert Euro auf dem Konto werden achthundert ausgegeben, statt tausend Euro zweitausend, und eine Erbschaft wird innerhalb weniger Monate komplett verjubelt. Er erwartet sein Gehalt vier Wochen im Voraus. Und er wird niemals lernen, mit Geld besonnen umzugehen. In der Küche steht der neueste Jura-Kaffeevollautomat, die wenige Monate ältere Saeco lagert derweil (einsatzbereit) im Keller, während Amazon die DeLonghi versandfertig macht. Die ist nämlich noch viel besser als die beiden anderen zusammen. Flüchten ist zwecklos. Man sollte jedoch niemals mehr als drei Euro im Geldbeutel haben.
3. Der Schwindler: Der schwierigste Typus, möchte man doch aus reinem Selbstschutz eigentlich gar nicht wissen, wie sehr man von seinen Mitmenschen zum Besten gehalten wird. Wobei zu unterscheiden ist, ob jemand lügt, weil es der Beruf erfordert (Verkäufer, Journalisten, Schauspieler). Oder ob es sich um eine Angewohnheit handelt. Ich meine die geschönten Geschichten, die erst später als solche sichtbar werden. Diese Gruppe lügt, weil sie die Wahrheit nicht sagen will, um sich selbst zu schützen, um andere zu manipulieren oder aus reiner Gewohnheit. Es dauert oft lange, bis man die Mitglieder als solche erkennt. Sie lassen sich nicht einbremsen durch Enttarnung oder Flucht. Sie verfolgen einen, wohin man geht.
Eines Tages werde ich mich rächen. Ich weiß noch nicht wie, aber ich arbeite daran. Bis dahin lasse ich sie, wo sie hingehören: in Schubladen. Und als Unwort des Jahres schlage ich Toleranz vor.

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