Irgendwo, ich weiß nicht mehr, ob im Fokus, in der Zeit oder beim Handelsblatt, habe ich diese Woche gelesen, der größte Feind von Stuttgart 21 sei Stuttgart 21. (Falls jemand nicht auf dem aktuellen Stand ist: Der Bau ruht, und zwar ganz ohne Zutun von Demos, Besetzern oder einer ausstehenden Abstimmung.)
So ähnlich ist es auch bei Bahn und S-Bahn: Wir brauchen keinen Schnee, keine Temperatur-Stürze in den zweistelligen Minusbereich, weder Eisbruch noch gefrorene Oberleitungen. Witterungsbedingte Pannen sind im Jahr 2012 überflüssiger denn je. Die Probleme versursacht die Bahn selbst. Der Fahrplan wird auch unter besten klimatischen Umständen nicht mehr eingehalten.
Im vergangenen Herbst hatte sich mein (vertraglich festgelegter) Arbeitsbeginn im Schnitt um gut zwanzig Minuten nach hinten verschoben. Inzwischen fahre ich eine Bahn früher, seither komme ich nur noch einmal in der Woche zu spät. Dass die S-Bahn immer voller wird, ist angesichts der Bau- und Zuzugswut im Münchner Hinterland keine Überraschung. Dass die Türen häufig von zu vielen Menschen zu lange blockiert sind, ebenfalls nicht. Ein Sitzplatz, was ist das? Müssen eben die High Heels zuhause bleiben. Dreißig Minuten Stop and Go im vollbesetzten Waggon sind nichts für schwache Bänder. Und weil das noch nicht reicht, packen wir noch gratis ein paar Störungen dazu. Genau: viel Spaß für wenig Geld.
Heute war die Fahrt besonders lustig: Die S-Bahn vor uns wurde außerhalb Münchens evakuiert, weil es technische Störungen gab. Da alle S-Bahnen durch den gleichen Tunnel fahren, nimmt man in solchen Fällen (also praktisch jeden Tag mindestens einmal), ein paar Bahnen aus dem Fahrplan. Sonst wird der Rückstau immer größer. Das ist Bahn-Logik, nicht meine Fantasie! Die Insassen dieser Bahn stiegen folglich bei uns dazu. Grad kuschlig wars. Und wegen der technischen Störung ging es ab dann entsprechend langsam weiter. Das ist eine schöne Gelegenheit, seine Mitmenschen besser kennenzulernen, sowie deren Vorlieben für bestimmte Gewürze und den Hang zu schweißtreibendem S-Bahn-Jogging. In Laim unternahmen einige Mitfahrer das Wagnis, in die Linie auf der anderen Bahnsteigseite umzusteigen. Das ist nicht unproblematisch. Wenn zum Beispiel, so wie heute, alle Züge zum Bersten voll sind.
Immerhin, ich war fast pünktlich. Bei den folgenden Bahnen (und deren Insassen) kam ein weiteres Schmankerl dazu, quasi das Sahnehäubchen des S-Bahn-Verkehrs schlechthin. Denn was passiert, wenn viele Menschen lange auf sehr engem Raum zusammengepfercht sind? Genau! Jemand kollabiert. Und was passiert, wenn jemand ... Genau: NOTARZTEINSATZ!
Früher, vor vielen Jahren, gab es den Slogan „die Bahn kommt“. Man könnte ihn zu neuem Leben erwecken: Die Bahn kommt zu spät.
Wer es nicht glaubt: Es gibt einen Störungsnewsletter der Bahn.
http://www.bahn.de/regional/view/regionen/bayern/services/streckenagent.shtml
Aber Vorsicht: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Therapeuten oder das ortsansässige Taxi-Unternehmen.
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