Eine Bekannte hat mir vor Weihnachten erzählt, sie wolle sich einen Hund zulegen. Einen kleinen, wie sie sagte. Gemeint war eine Bulldogge. Sie ist geschieden, alleinerziehend, und der Vater ihres Sohnes hat seit vorigen Herbst einen Schäferhund. Der Junge verbringt jedes zweite Wochenende bei seinem Vater, dessen Freundin und dem Hund. Ein Schäferhund in dieser Situation sei verantwortungslos, wie sie meinte. Gut, dass sie so vernünftig ist. Ihr Entschluss, sich einen kuscheligen kleinen Vierbeiner zuzulegen, scheiterte jedoch an einem banalen Grund: Ihr Vermieter, ihr völlig unbegreiflich, erlaubt keine Hunde in der Wohnung.
Kleiner Exkurs: Unter uns wohnte vor etwa acht Jahren eine alleinerziehende Mutter mit ihrem damals zehnjährigen Sohn und einem Hund. Der Hund ging nach acht Monaten ein, wenige Wochen später zog die Frau samt Kind aus. Der Geruch des Hundes hat uns dagegen noch viele Jahre lang beglückt. Nämlich immer dann, wenn die Tür zu eben dieser Wohnung geöffnet wurde. Die Nachmieterin sollte bis heute mietfrei wohnen als Entschädigung für die qualvollen ersten Jahre in diesem stinkenden Loch!
Zurück zu meiner Bekannten: Es wurde nichts aus der Bulldogge für Klein-Dustin. Vergangene Woche hat uns der Vierjährige aber stolz berichtet, dass er endlich seine Katzen geholt hat. Also Katzen statt Köter, dachte ich. Die sind wenigstens pflegeleicht. Da ging es weiter: "Wir haben Norwegische Waldkatzen." Bulldoggen kenne ich. Die Katzen musste ich googeln: Es handelt sich dabei um eine den Wildkatzen nahestehende Hauskatze, die größer wird als die normale Hauskatze und hervorragend klettern kann, sogar auf nackten Felsen. Vom Aussehen her gibt es keinen Unterschied. Und kratzen kann sie auch, wie man an den Armen der stolzen Besitzerin erkennt.
Für mich Landei und Laie war klar, dass Katzen raus dürfen, wenn man im Erdgeschoss und in einem ruhigen Wohngebiet wohnt. Da musste die frischgebackene Mietzenmutti gleich mal tief einatmen. Jaaaa, kam die gedehnte Antwort. Irgendwann dürften die Katzen schooon maaal nach draußen. Wenn der Garten komplett eingezäunt ist, damit keine Katze raus und schon gar keine fremde Katze eindringen kann.
Möglicherweise in ein paar Monaten oder Jahren dürfen die großen, kletterfreudigen Fast-Wildkatzen ein bisschen frische Stadtrandluft schnuppern. Eines Tages können sie vielleicht einen echten Baum besteigen anstatt der Wandschränke, Fensterrahmen, der Küchenborde und Bücherregale und was sonst noch in einer Wohnung hoch ist und zum Klettern mit scharfen Krallen geeignet.
Die Cousine meiner besten Freundin lebt seit einigen Monaten in Köln. Ihr Freund, ein Soldat, ist derzeit in Afghanistan stationiert, und weil sie so allein ist, hat sie sich einen Pudel zugelegt. Außerdem ist sie schwanger. Deshalb hat sie nun ihre Mutter am Bodensee angerufen und gefragt, ob sie wieder nach Hause kommen darf. Sie traut sich nicht zu, sich um einen Hund und ein Baby zu kümmern. (Anmerkung: Sie ist 28 Jahre alt.) Natürlich darf sie.
Meine Oma ist im Sommer 2010 verstorben. Sie wurde 107 Jahre alt, bei guter Gesundheit und klarem Verstand. Als sie zur Welt kam, regierte in Deutschland Kaiser Wilhelm. Das ist übrigens der zweite Vorname meines Vaters. Sie hatte in ihrem Haus bis weit in die Achtziger hinein nur fließend kaltes Wasser und ein Plumpsklo, an die Rückseite des Hauses angebaut. Gebadet wurde im Waschkeller mit Betonboden in einer Zinkwanne. Das heiße Wasser dafür kam aus einem gewaltigen Boiler, erhitzt mit echtem Feuer.
In der Toilette war man nie allein: Im Sommer gab es Schnecken und Eidechsen, und Spinnen das ganze Jahr über. Und am aufregendsten war der Vorratskeller. Er war einfach in den Boden gehauen, ohne Estrich, ohne befestigte Wände. Leider kann ich nicht genau sagen, welche Tierarten sich dort tummelten. Es gab nur eine Glühlampe, und die war oberhalb des Eingangs.
Meine Oma hat immer ganz trocken gesagt: „Die Welt ist verrückt.“
Ich denke oft an sie.
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