Zum feierlichen Beginn des neuen Jahres besuchte ich eine Party. Nach etwa einer Dekade Abstinenz ist das eine seltene und daher um so freudigere Angelegenheit. Mit minderjährigem Nachwuchs ergibt sich kaum die Gelegenheit zu einer Abendveranstaltung. Man lädt keine größere Menschengruppe ein und erhält keine Einladungen. Schließlich befinden sich die Freunde in einer ähnlichen Situation wie man selbst, im ständigen Dauergalopp zwischen Kindergarten, Arbeit, Schule und den täglichen Routinearbeiten - was in der Natur der Sache liegt. Menschen mit Kindern sind eher unflexibel, weil Babysitter ein Vermögen kosten, die Großeltern sich den Luxus eines eigenes Lebens gönnen und der Nachwuchs - hat man das Glück einer zuverlässigen Aufsichtsperson - spätestens am nächsten Morgen um halb sieben wieder seine Rechte einfordert.
Für alles im Leben gibt es Zeitfenster, die einen sind größer, die anderen eher Glasbausteine. Die Öffnung für Feiern ist eine Luke, mal weiter offen, mal angelehnt; und bei mir sozusagen vorübergehend geschlossen. Vielleicht ergibt sich später wieder die Gelegenheit. Allerdings muss ich nach eingehender Überlegung gestehen, ich vermisse sie nicht, die wilden, feucht-fröhlichen Nächte in kleineren und größeren Kreisen. Eine Bekannten fragte mich kürzlich entsetzt, wie wir unsere Kinder für abendliche Einladungen loswerden, so ganz ohne einsatzfreudige Großeltern nebenan. Zuerst musste ich laut lachen, danach habe ich erklärt, dass wir in dieser Bredouille selten sind und im Nachhinein sinniert, warum mir das überhaupt nichts ausmacht:
Ich war noch nie ein Party-Löwe. Ausgehen, ja gerne, aber nur mit guten Freunden oder dem Partner. Inzwischen, mit einem voll ausgelasteten Tagesablauf, genieße ich den Abend mit einem interessanten Buch oder einem schönen Film. Gern umrahmt von einem feinen Essen und einem Glas Wein. Das geht zuhause ganz prima, dafür benötige ich weder Restaurants noch Service noch Babysitter.
Nun waren wir tatsächlich seit langem einmal wieder zu einer kleinen Silvester-Feier eingeladen. Sogar Kinder waren erlaubt, die anderen Gäste kamen ebenfalls mit Anhang. Es gab leckeres Bufett und festtagstaugliche Getränke für die Eltern, und im Nebenzimmer altersgerechte DVDs für den Nachwuchs. Und da wurde mir im Verlauf des Abends klar, warum mir die Partys nicht fehlen: Es ist meine Abneigung gegen Small Talk. Eine neutrale Unterhaltungen mit Fast-Fremden ist eine hohe Kunst, und ausgesprochen anstrengend. Beruflich lassen sich solche Situationen nicht vermeiden, aber privat bin ich ein Totalversager in diesem Ressort. Es mangelt mir am dazu nötigen Sinn für Diplomatie. Ich hüpfe statt dessen mit Elan von einem Fettnäpfchen ins andere, was in Verbindung mit einer gewissen Menge Alkohol verhängnisvoll wird. Ich liebe Politik, lebhafte Diskussionen und Gespräche, die mir eine neue Sichtweise eröffnen. Das ist nur mit Leuten möglich, die die gleiche Wellenlänge haben. Fehlt diese Voraussetzung, bleibt die Gesprächsabfolge einem Standard teu: Nach der Begrüßgung wird das einzige wirklich neutrale Thema, also das Wetter, ausgiebig beleuchtet, es folgt der Exkurs über Beruf und Karriere, der mit etwas Glück relativ schnell wieder zum Erliegen kommt, und nach einer längeren Gesprächspause die Witze-Phase.
Hier mein Favorit für die schlechteste Pointe 2012:
Zwei Freunde im Tennisclub. Beim Umziehen. Auf einmal schaut der eine den anderen verdutzt an.
„Sag mal, seit wann trägst du denn einen Büstenhalter?“
„Seit meine Frau ihn im Handschuhfach meines Autos gefunden hat.“
Ich habe gegoogelt: Er gilt als Klassiker.
In diesem Leben wird aus mir kein Party-Löwe mehr.