Es gibt viele Gründe, warum ich Männer um ihr Geschlecht beneide. Haha, genau, der auch: beim Pinkeln im Freien. Aber abgesehen von der Vorrichtung bei der Verrichtung gewisser Bedürfnisse gibt es noch etliche andere Dinge, die für uns Frauen unendlich viel anstrengender sind.
Das Haus verlassen zum Beispiel. Das ist etwas, bei dem es in meiner Beziehung regelmäßig, nennen wir es mal vorsichtig, Verstimmungen gibt. Mein Partner zieht Jacke und Schuhe an, schnappt seinen Schlüssel und geht raus. Ich ziehe mich um, schminke mich, richte die Haare, gehe in die Garderobe auf Schuhsuche, stelle fest, dass Witterung, Sohlenbeschaffenheit und Kleidung nicht optimal konvergieren, ziehe mich nochmals um, werfe eine letzten, prüfenden Blick in den Spiegel, auf die Heizkörper, die Fenster, den Herd, das Bügeleisen, in den Mülleimer, in den Kühlschrank, den Wäschekorb und so weiter. Daraus resultieren diverse Erledigungen, die auf dem Weg zum Auto oder an die frische Luft liegen, wie Abfall wegbringen, Trockner einschalten, Kartons in den Keller räumen...
Inzwischen sind zu unserem lustigen Reigen drei weitere Personen unter achtzehn dazugestoßen. Bei meinem Partner läuft es nun wie folgt: Er zieht die Schuhe an, schnappt Jacke und Schlüssel, manchmal noch ein bis drei Kinder, und geht. Und ich mache - siehe oben. Hinzu kommt der Generalcheck: Sind für jedes Kind Jacke/ Mütze/ Handschuhe dabei? Eine Trinkflasche, was zu Essen, was zum Umziehen, der Windelrucksack, die Kekse, was zum Lesen und zum Spielen für alle Fälle? Dann mache ich mich auf den Weg, vorbei an Mülleimern, Wäschekammern etc.
Mit etwa zwanzigminütigem Rückstand auf meine Jungs krieche ich verschwitzt ins Auto, das mit laufendem Motor schon halb auf der Straße steht. Vom Fahrersitz ertönt leicht genervt die Frage: „Warum brauchst du immer so lange?“ Meine erste Frage nach dem Einsteigen differiert von Mal zu Mal: Haben wir die Eintrittskarten/ die Geschenke für die Familie, etwas zum Lesen/ Essen/ Trinken/ Wickeln/ Spielen dabei? Haben alle ihre Mütze/ ihre Handschuhe/ ihre Jacke? Oder, in einem Anflug von Galgenhumor: „Sind alle da?“ Sie glauben nicht, wie oft ich dann nochmal aussteigen und zurück in die Wohnung muss.
Eine Möglichkeit, künftig deutlich schneller zu sein, wäre das Ende meiner Bemühungen um mein äußeres Erscheinungsbild. Womit wir bei einem weiteren triftigen Grund sind, im nächsten Leben ein Zipfelchen zu bekommen. Frauen werden nach der Optik beurteilt. Immer, überall und von jedem! Was nichts anderes bedeutet als: Wir müssen perfekt sein!
Ein Mann kann aussehen und tragen, was und wie er will. Wenn das kein Grund ist, neidisch zu werden. Dick, ungewaschen, mit alten, schlabbrigen Klamotten - es interessiert keine alte Bache, was ER beim Einkaufen trägt. Ausnahme Brautschau. Und selbst dann sind wir Frauen erstaunlich schmerzfrei. Geht SIE hingegen in ausgebeulten Trainingshosen und unfrisiert zum Supermarkt oder zum Tanken, ist sie eine - na, was? Genau. Schlampe! Das sagt vielleicht nicht jeder laut, aber der Gedanke drängt sich unwillkürlich auf. Frauen, und sind sie noch so unwichtig und unscheinbar, werden gescannt: Alter, Figur, Größe, Gewicht, Outfit - mit anderen Worten: „Taugt was“/ „Taugt nichts“. Derber ausgedrückt könnte man wohl die Prüfung auch reduzieren auf „Fickmaterial“ oder „Fluchtgrund“. Und diese Beurteilung erfolgt nicht nur durch Männer, bei denen sich die Taxierung vielleicht noch evolutionstechnisch begründen lässt. Warum sind wir Frauen mindestens ebenso kritisch gegenüber der Konkurrenz? Immer mal wieder ertappe ich mich selbst dabei. Jetzt haben wir eine coole, neue, erfrischende Frauenband, die uns beim Eurovision Song Contest vertreten wird. Die drei jungen Mädels aus Berlin trumpfen auf mit einem fantastischen Song, guten Live-Stimmen und echten Musikinstrumenten. Sie sehen nett aus und können auch richtig was. Aber was ist mein erster Gedanke, als ich die Vorauswahl sehe? Wer hat ihnen diese schrecklichen weißen Anzüge verschafft? Dabei ist das eigentlich sowas von egal. Erinnert sich jemand, was der geigende Gewinner aus Norwegen 2009 am Leib trug? Nein. Dafür ist die ukrainische Amazone mit den Lederfetzen (2004) noch jedem in Erinnerung. Wir müssen gar nicht so tief in die Vergangenheit. Welches Outfit trug Ihr Chef gestern? Oder der Nachrichtenmoderator?
Es gibt genau einen Vertreter der XY-Fraktion, dessen Kleidung regelmäßig Erwähnung findet: Thomas Gottschalk. Der kleine Narziss hat dafür dreißig lange Jahre mit allen Mitteln verbissen gekämpft.
Huch, mir rennt die Zeit davon. In einer halben Stunde muss ich meinen Sohn vom Kindergarten abholen. Sie wissen ja, was das bedeutet: Showtime!