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Freitag, 10. Oktober 2014

Der kleine große Unterschied

Ich habe mir Ärger eingehandelt. Ein Kollege bat mich vor ein paar Tagen um Rat und Unterstützung bei der Bedienung unseres Multifunktionskopierers. Der ist brandneu, ständig auf Standby und kann nicht nur bunt, sondern auch scannen, emailen und USB… Und fährt nach Beendigung eines Auftrags binnen weniger Sekunden in den Schlafmodus.
Um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen, muss man ganz exakte Befehle und genaue Vorgaben eingeben. Er schlummert sofort ein, wenn man nichts von ihm will. Will man ihn wieder nutzen, muss man auf eine grüne Lampe drücken und geduldig warten, bis er wieder richtig wach ist. 

Der Kopierer funktioniert wie ein Mann, sage ich immer.
Es ist die beste und kürzeste Erklärung für dieses hochfunktionale Gerät. Als mich besagter Kollege vor ein paar Tagen um Schützenhilfe bei einigen Scans bat, habe ich auch ihm diese Kurzanleitung gegeben. Da ich seit frühester Kindheit, eigentlich von Geburt an, in einer stark testosteronhaltigen Umgebung lebe, und inzwischen selbst einige Vertreter der Gattung Homo masculinus produziert habe, bin ich Männer-Fachmann. Oder Fachfrau? Egal. Auf jeden Fall bin ich – ganz neutral – Experte. Und bisher haben alle Ratsuchenden meine "Bedienungsanleitung" für unsere Hightech-Maschine richtig verstanden. Nicht dass Sie mich falsch verstehen. Ich mag Männer. Man muss lediglich wissen, wie sie funktionieren („komm nackt, bring Essen mit“). Und keine falschen Forderungen stellen wie mitdenken, ohne Aufforderung putzen, Bettwäsche wechseln, Socken wegräumen… Klare Statements funktionieren am besten: Du! Jetzt! Aufräumen! (Oder so ähnlich.) Hey, Jasper Jul, warum sind Belohnungen nicht gut?? Die wirken wahre Wunder.

Aber ich gebe ganz offen zu, es gibt Dinge, für die ich Männer gänzlich ungeeignet halte bzw. Bereiche, in denen Männer und Frauen einfach nicht kompatibel sind.
Frauenärzte sind ein sehr gutes Beispiel: Hinlegen und Beine breitmachen für einen Mann? Beim Sex jaaaa, beim Arzt: Aaaaargh! Schlimm, ganz, ganz schlimm. Ganz ehrlich. Man, also Frau, kann dann endlich genau nachfühlen, wie sich ein totes Rind beim Zerlegen fühlt. Wenn es noch dazu fähig wäre. Aber wollen wir das so genau wissen?

Eigentlich ist es verständlich: Der Kerl hat schließlich keine Ahnung, wie sich seine Finger an und in meinen Geschlechtsteilen anfühlen müssen, damit es neutral rüberkommt. Gestreichelt werden sollte bei dieser Gelegenheit definitiv nicht. Also gibt es nur grob oder sehr grob. Ganz ehrlich, und ohne böse Gedanken: Frauen sollten zu Frauen und Männer zu Männern, wenn es um die geschlechtsspezifischen Körperteile geht. (Meine Gynäkologin ist übrigens der gleichen Meinung.)  Ich kann auch nicht beurteilen, wie schmerzempfindlich Testikel sind. (Es reicht völlig, zu wissen,       d a s s  sie es sind...)

Das zweite Beispiel ist Workout. Ich liebe Sport, ich liebe Workout – aber mit Männern kann ich nicht trainieren. Sie mögen es mal gelernt haben, theoretisch. Vielleicht hat es sogar einer kapiert: Frauen und Männer sind verschieden. Auch körperlich. Und  nicht nur bei den Geschlechtsorganen. Aber als Frau bei einem Mann ein Workout-Training zu absolvieren ist wie Kraulen üben im Beachvolleyballfeld: es funktioniert nicht, frustriert, und man, also Frau, fühlt sich dabei einfach nur lächerlich. Der eine Instructor nimmt den Begriff „Powerworkout“ besonders ernst und zieht ein GSG-9-Programm durch, dass man nach 90 Minuten vor Erschöpfung zum Kotzen aufs Klo rennt. (Entschuldigung, aber schöner lässt sich das leider nicht beschreiben.) Der nächste versucht die verständnisvolle Softvariante („geht’s euch noch gut“ im Minutentakt), während die Gruppe verzweifelt gegen die SSS (Steh-Schlaf-Symptome) kämpft. Und der dritte macht einfach das ganz normale Training, das er sonst mit seinen Jungs durchzieht. Spritzige Musik – wer braucht den Scheiß. Problemzonen? Hat man mit regelmäßigem Training keine! Was die bisherige Trainerin gemacht hat? Mir doch egal. Ich mach mein Ding, und das ist gut so. (Danke Wowi. Du bist also doch ein Mann.) Yep, genau diesen Typus habe ich heute genossen: Eigentlich ist er Boxtrainer. Gut, dass er's gesagt hat, wir hätten es fast nicht gemerkt... Die ersten 45 (von 60) Minuten bestanden aus mehrere Varianten von Oberarmtraining im Ausfallschritt. Die letzten 15 Minuten habe ich mir erspart. Er hatte sie in der Vorstellung angesprochen: tänzeln und dabei abwechselnd die Arme nach vorn boxen. Wie überaus phantasievoll. Das wäre übrigens der Konditionsteil gewesen. Der Konditionsteil, der den Abschluss der Workout-Session darstellt.

Ich bin 40 Jahre alt und kämpfe wie jede andere Frau gegen die üblichen Begleiterscheinungen. Ich lege also weder besonders großen Wert auf die Kräftigung meiner Oberarme und Oberschenkel noch auf ein Konditionstraining "auf der Stelle laufen", um nebenher – total abwechslungsreich – die Oberarme zu trainieren. Außerdem sollte dem guten Mann dringend mal jemand erklären, dass Rocky längst in Rente ist. Verdient und zu recht und hoffentlich für immer! Das gleiche gilt für den Trainingsstil der 70er Jahre. Ist nicht böse gemeint, ehrlich nicht. Aber, und damit sind wir wieder beim Kopierer, Männern etwas zu erklären ist, vorsichtig gesagt, ziemlich schwierig. Ungefähr so schwierig, wie einem Kopierer etwas zu erklären.
Mein Kollege hat gestern gesagt, er überlege sich, zum Gleichstellungsbeauftragten zu gehen. Er fühle sich diskriminiert. Ein bisschen tut er mir leid. Gleich am Montag sage ich es ihm:

Wir haben keinen Gleichstellungsbeauftragten. Nur eine Frauenbeauftragte.