Ich besitze keinen Fernseher, weil ich am liebsten lese oder
Filme ansehe – ohne lästige Werbeunterbrechungen. (Ja, so war das früher.) Nachrichten
finde ich prima, wenn tatsächlich Informationen transportiert werden und nicht
nur Schlagzeilen. Dafür gibt’s das Blatt mit den vier Großbuchstaben und ohne
TEXT. Ich besitze nur ein Auto und auch kein Mobiltelefon mit angebissenem
Apfel. Für runde eintausend Euro kaufe ich Schmuck, aber keinen
Gebrauchsgegenstand, der mir ständig aus der Hand und, wenn ich Pech habe, auch
mal in die Toilette fallen kann.
Mit meiner Einstellung fühle ich mich manchmal ziemlich
alleine. Es ist unmodern, Freizeitsport zum Spaß zu treiben, ohne Trainingsplan und den Iron Man als Ziel. Wenig überraschend oute ich mich gleich bei dieser Gelegenheit offiziell als
Facebook-Muffel. Eigentlich wollte ich zu alten Bekannten nicht gänzlich den
Kontakt verlieren. Jetzt muss ich deren Nachrichten suchen zwischen den zahllosen Posts von der Personenwaage meines diätenden Kollegen vor und nach dem Stuhlgang und dem
minütlichen Statusreport der zwanzigjährigen Praktikantin. (Okay, es ist sein Gewicht morgens, mittags und abends – kommt aber irgendwie aufs gleiche raus, oder?)
Meine unzeitgemäße Lebenseinstellung zieht sich wie ein
roter Faden durch den Alltag: beim Einkaufen, Arbeiten, in Schule und
Kindergarten. Ich will weder eine Lebensversicherung abschließen noch ein Konto
eröffnen, wenn ich bei der Post Briefmarken einkaufe. Ich möchte bei der Arbeit
arbeiten, und nicht networken, Umfragen beantworten oder mich von Lieferanten
bei der Bestellung von Verbrauchsmaterial maßregeln lassen. Ey, ich bin
der Kunde. Und wenn ich neuen Toner bestellen will, dann erwarte ich eine
Lieferung und keine Diskussion über meinen Bedarf! Ich dachte, die
Planwirtschaft sei mit der DDR gestorben. Von wegen.
Und weil wir, ein kleines Zugeständnis an die Moderne, beide
berufstätig sind, nehmen mein Mann und ich für unsere Kinder neben der Schule
eine Betreuung für die Kinder in Anspruch. Was soll ich sagen? Wir bekommen am
Elternabend von den Lehrkräften erklärt, was an Stoff durchgenommen wird, damit
!wir! das Thema mit den Kids !zuhause! üben können. Regelmäßig finden Belehrungen
statt über unsere elterliche Pflicht, Hausaufgaben zu kontrollieren und vor kurzem war in der Grundschule ein Motivationsvortrag: Eltern lernen ihren Kinder beizubringen zu lernen. Und wozu gehen die in die Schule? In der Kindertagesstätte bin ich permanent am Ausreden erfinden: Ich will nicht zu Elterncafés, Elternstammtischen, zu Eltern-Kita-Kind-Ausflügen
und -Feiern und Kennlern- und Spielnachmittagen. (Pssst: Kann auch durchaus vorkommen, dass ich arbeiten muss, also die Betreuung des Kindes brauche. Aber das ist unser Geheimnis!) Es gibt ein wunderbares
neudeutsches Wort: Kernkompetenz. Ich möchte einfach nur, dass mein Kind gut versorgt und
glücklich ist, während ich arbeite, dass es spielen kann und Freunde hat. Und meine Freizeit organisiere ich selbst. Mir fallen durchaus Dinge ein, die man unternehmen kann. Ohne "Hilfe" und noch mehr Termine. Jetzt naht der Advent. Heißt, ich soll Plätzchen und Kuchen backen und abpacken und verkaufen und wieder zurückkaufen für daheim. Also irgendwie entgeht mir der Sinn der beiden Zwischenschritte. Abgesehen davon gibt es in unserer
Familie noch ein paar Personen und Interessen mehr, und wenn ich zu jeder
angebotenen Veranstaltung von Kindergarten, Hort und Schule gehe, lande ich
nach spätestens vier Wochen in der Klappsmühle. Weil erfahrungsgemäß immer und
überall die gleichen dämlichen Fragen und schlauen Sprüche abgesetzt werden und die Ein-Kind-Helikopter-Eltern nicht
genug haben können von den vielen tollen Events, wo ihr Goldstück immer
und überall aus der ersten Reihe mit Serienauslöser fotografiert werden kann.
Von mir aus trinkt Kaffee und macht Feste, wenn es euch glücklich macht. Aber nicht als Zwangsarbeit für alle. Wo bleibt die
Toleranz? Noch so ein modernes Wort, das gern verwendet, aber selten gelebt wird. Über meine Lebenszeit bestimme ich. Genauso wie über
meine Einkaufsgewohnheiten als zahlender Kunde. Ich möchte weder Alternativen noch Ergänzungen oder herablassende, belehrende Sprüche. Ich will genau das, was ich bestellt habe! Wer samstags zur Autowaschanlage fährt, ist wohl nicht begeistert, wenn das Fahrzeug auf dem Band durch eine defekte Anlage gezogen wird, um bei der Ausfahrt zu erfahren: „Wäsche is heut nicht. Dafür hama ne Vorführung von
der Senioren-Samba-Gruppe Buxtehude."
Flirten betrifft mich eher weniger, aber ganz ehrlich, darüber bin ich unsagbar froh! Mit Selfies und
Photoshop den Traummann respektive die Traumfrau finden - hallo? WYSIWYG - R. I. P.!
Auto waschen in der Waschanlage, Kinderbetreuung in der
Kita, Unterricht in der Schule, Postsachen auf der Post, Flirten überall. Ist
doch eigentlich ganz einfach. Aber sowas von altmodisch…