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Dienstag, 13. September 2011

Urlaub früher ...

Ich kann mich an genau einen Familienurlaub in meiner Kindheit erinnern. Tatsächlich war es der Einzige: Er führte uns nach Südtirol, nach Lana bei Meran. Mein ältester Bruder war in der Lehre und mit achtzehn Jahren nicht mehr erpicht auf derartige Unternehmungen; er wollte lieber zuhause die Blumen gießen. Mit von der Partie waren mein mittlerer Bruder, meine Eltern und zwei Bundeswehrkollegen meines Vaters mit Gattinnen, zwei oder drei Teenagern und meiner besten Brieffreundin. Keine Hunde, keine Babys.
So fuhren wir im Sommer 1981 in einer Dreier-Kolonne über den Reschenpass.
Wer zu dieser Zeit (oder vorher) in Italien war, hat eine ungefähre Vorstellung, warum man für eine Fahrt von gut dreihundert Kilometern frühmorgens um drei starten musste. Erschwerend kam hinzu, dass zwei von drei Fahrern sich sonst ausschließlich in einem Aktionsradius von zehn Kilometern rund um ihr Heim bewegten und beim Schalten selten über den zweiten von vier Gängen hinauskamen. Der Zwischenstopp am gefluteten Kirchturm war um die Mittagszeit. Ich glaube aber, wir haben die Fahrt an einem Tag bewältigt. 
Die Pension, unser aller Ziel, war etwas kleiner als das Einfamilienhaus, das sich ein bekanntes Arztehepaar hier vor kurzem gebaut hat. Darin wohnten die Eigentümer, Familie Clementi, ein Ehepaar mit drei Kindern, Patricia und Tomaso und einem Namenlosen, der sich nicht mit uns Gastkindern abgab - und wir elf (oder zwölf) Gäste. Es war Juli, es war heiß, tagsüber gab es kein Leitungswasser, weil es für den Obst- und Weinbau benötigt wurde. Die Gartenmöbel bestanden aus einer morschen Schaukel und einem wackligen Holzstuhl. Das nächste Schwimmbad war dreißig Kilometer weit weg, in einem ganz anderen Tal. Keiner der Erwachsenen interessierte sich auch nur geringfügig für Natur, Berge oder gar sportliche Betätigung in selbigen. Und täglich wurde der altersschwache Opa unserer Gastgeber aus dem Krankenhaus zurück erwartet. Für diesen musste wegen eines Erbschaftsstreits mit dem Bruder ein großes Zimmer freigehalten werden. Meine Eltern, mein Bruder und ich teilten uns dafür ein Gemach, das ungefähr so groß war wie die Besenkammer unserer Arztfreunde. Die anderen Familien waren besser dran. Nach heutigen Maßstäben entsprachen deren Räume dem knapp bemessenen Kinderzimmer im Zuhause der Arzthelferin.
Wir besuchten jeweils einmal die Seiser Alm und den Kalterer See, seinerzeit die beiden einzigen Attraktionen, von der Besuchermenge her zu schließen. Und wir gingen jeden Tag ins gleiche Restaurant. Nur dort gab es Schweinebraten, die unentbehrliche Existenzgrundlage einer übergewichtigen Exkursionsteilnehmerin. Wir hatten immer den gleichen Tisch und wussten somit, dass es hauptsächlich unsere Flecken waren, durch die das Tischtuch einer Speisekarte gleichkam. Zehn Tage Urlaub können lang sein. Auch für Kinder. 
Einen richtigen Urlaub haben meine Eltern danach nicht mehr gemacht. Geschweige denn in Italien. Seit etwa zehn Jahren setzen sie sich gelegentlich in ihren Kleinbus, fahren an die Mosel oder zur Ostsee, nächtigen im Auto und gehen zum Frühstücken in kleine, lauschige Pensionen. Ich bevorzuge ebenfalls autarkes Reisen mit maximal einer erwachsenen Begleitperson.
Einzig mein Bruder hat keine bleibenden Schäden zurückbehalten. Er verreist mit Frau, den  beiden erwachsenen Töchtern, deren Freunden, seiner Schwägerin nebst Gatten und gern auch noch mit dem einen oder anderen Kollegen, samt Anhang versteht sich. Er war damals sechzehn und wohl mit anderen Dingen beschäftigt. Aber das ist nur eine Vermutung. Jedenfalls gibt es zwischen uns ein paar Codewörter, die selbst bei einer Beerdigung die Stimmung heben. „Lana bei Meran“ ist eines davon.
Wie gesagt, wir machen das heute etwas anders. Was dabei heraus kommt, folgt in Kürze.

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