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Donnerstag, 16. August 2012

Das Kreuz mit der Planwirtschaft oder wie man den Leuten einen BER aufbindet

Wir lernen aus Fehlern. Gleich nach der Geburt fangen wir instinktiv an zu schreien, weil es kalt und ungemütlich ist, und weil der Magen knurrt. Das funktioniert hervorragend. Irgendwann beginnen wir zu lernen, dass es auch falsche Entscheidungen gibt. Kinder verschütten heißen Tee, laufen zu nah am Grill vorbei oder fallen eine Treppe herunter. Meist gehen diese Unfälle zum Glück harmlos aus, und sie können das Wichtigste überhaupt damit anfangen: eine Erfahrung machen und daraus lernen.

Diese Fähigkeit, bei Kindern stark ausgeprägt, verschwindet im fortgeschrittenen Erwachsenenalter praktisch komplett. Wie sonst lässt sich der Reinfall mit BER erklären. BER, der neue Berliner Flughafen und gewitztes phonetisches Wortspiel zum Berliner Maskottchen, dessen Starttermin nun endgültig auf unbekannte Zeit verschoben wurde. Was muss ich da als Schlagzeile in der Berliner Zeitung lesen? „Noch mehr Pannen als bei Stuttgart 21“. Das ist kurios. Die Schwaben sind noch nicht mal beim Fundament. Das UNTERIRDISCHE Technikgebäude wird laut neuesten Meldungen jetzt allein von einem Fuhrunternehmen, spezialisiert auf Erdbewegungen, fertig gestellt. Das Partnerunternehmen für diesen Auftrag hat diese Woche Insolvenz angemeldet. Kann das gut gehen? Frage ich den Glaser, ob er für unsere nächste Party die Speisen und Getränke liefert? Aber alles bestens, meint der Projektsprecher. Auch das eindringende Wasser in der Baugrube ist völlig normal und kam sogar später als erwartet. Prima. Dann haben sie jetzt also ausreichend Gelegenheit, auszuprobieren, wie man das Ding trocken bekommt. Oder sollte vielleicht ein kleiner Hafen an Stelle des neunten und zehnten Gleises gebaut werden. Wie in meinem Lieblingsmärchen „Die zertanzten Schuhe“ gibt es dann Nachen, mit denen man unterirdisch quer durch die Stadt fahren kann. Wie romantisch. Die Uniform der Gondoliere kann ruhig von der DB sein; besonders die Hütchen der Damen sind sehr geschmackvoll. Das hätte schon ein besonderes Flair. 
Mehdorns Schmerz heißt BER, schreibt die Welt. Ich sehe sie schon vor mir sitzen, so in etwa fünf bis zehn Jahren, in einem Kloster, bei meditativer Einkehr: Mehdorn, Grube, Wowi und Mappus (falls er nicht vorher in einer Einzelzelle ohne geistlichen Beistand landet). Verzweifelt und doch ganz und gar in sich gefestigt: Ist doch alles nur zum Wohle des unwissenden Volkes, das gelenkt und ge(nas)führt werden muss. Zum Glück glauben das auch erstaunlich viele Zeitgenossen. Wie sonst ist zu erklären, dass nach Elbphilharmonie, Waldschlösschenbrücke oder dem AKH-Skandal in Wien immer noch von Altvorderen nach eigenem Gutdünken und entsprechend der finanziellen Unterstützung einzelner Profiteure solche Bauvorhaben entschieden werden dürfen.

Exkurs: Das Allgemeine Krankenhaus, kurz AKH Wien wurde in den Fünziger Jahren beschlossen, in den Siebzigern ging es allmählich in die Bauphase über und 1994 wurde das Gebäude in Betrieb genommen. Die Kostenentwicklung kann man sich auch ohne Phantasie vorstellen. Die Waldschlösschenbrücke hat die Region um Dresden nicht nur den Status UNESCO Weltkulturerbe gekostet, sondern auch schlappe 160 Millionen Euro (Vielleicht auch etwas mehr; die Fertigstellung soll 2012 sein... und wir haben jetzt Mitte August.) Die jährlichen Instandhaltungskosten werden derzeit auf über eine Million Euro beziffert. Dresden hat etwas über 500.000 Einwohner.
War  d a s  wirklich nötig? 

Aber zwischen all den wichtigen Meldungen über magersüchtige US-Teenager, semi-prominente Fußballer-Ex-Ehefrauen und die 10.000 Wege zum Orgasmus ohne Sex bleibt einfach kein Platz in den Nachrichtenblättern und Gazetten dieser Welt. Mir geht es auch so: Eine attraktive amerikanische Schauspielerin wurde mit einem Bekannten fotografiert, der nicht ihr Lebenspartner ist. Das sind deutlich schönere Motive als ein paar Kieskutscher, die ein hochmodernes Technikgebäude für einen Bahnhof bauen. Womit ich mich in keinster Weise über hart arbeitende Menschen lustig machen will. Aber was kommt als Nächstes? Wird unser Schornsteinfeger künftig die Statik der öffentlichen Gebäude ausrechnen? Vor kurzem wurde ich Zeuge, wie ein Kraftfahrzeugmechaniker direkt aus der Werkstatt heraus einen Arbeitsvertrag als Entwicklungsingenieur für einen großen deutschen Automobilhersteller bekam. Das ist wohl der neue Trend: vom Tellerwäscher zum Alles-Könner. Ausbildung, Studium, Fachkenntnisse? Pah! Schauspieler müsste man sein ...
Vielleicht sollte ich mich an all den amerikanischen Hausfrauen orientieren, die ihr Leben mit Hilfe bunter Pillen erträglich machen. Und dann gehe ich in die Politik: Deutschland sucht den Super-Kanzler: Til Schweiger for President!!!

Donnerstag, 2. August 2012

Hey, duda, Zschipfel!

Die Zeit rast dahin. Ich bin wochenlang nicht zum Schreiben gekommen. Inzwischen weiß kaum noch jemand, wer bei der Fußball-EM 2012 Posing-Geschichte geschrieben hat (Balotelli) oder dass Griechenland niemals Pleite gehen darf (Wolfgang Schäuble). Die Tour de France ist zu Ende. Der Sieger? Derjenige, der am besten gedopt war! In London gibt es derzeit neben den Kronjuwelen der Queen und denen von Robbie Williams jede Menge Olympioniken zu bestaunen. Allerdings waren auch hier lange vor der offiziellen Eröffnung die ersten Ausfallerscheinungen zu verzeichnen. Einige dürfen gar nicht erst hin, weil sie rassistisch sind, die anderen müssen wieder nach Hause, weil sie positiv sind, und die deutsche Presse schwankt in gewohnter Manier zwischen Begeisterung und Entsetzen über unsere Vertreter. Die Schwimmer haben enttäuscht! Die deutschen natürlich. Ich vermute an den weniger guten Plätzen allerdings kein falsches Training, sondern mangelnde medikamentöse Unterstützung. Es gibt ja auch viele Erfolge zu vermelden; nur eben in weniger „doping-lastigen“ Disziplinen. Das kennen wir doch schon. Franzi van Almsick verschwand vor fünfzehn Jahren fast zwischen der chinesischen Konkurrenz gleichen Geschlechts. Oder eben auch nicht. Wer weiß das schon so genau.
Eine traurige Nachricht der vergangenen Tage war die Todesnachricht einer deutschen Schauspielerin, die spezialisiert war auf sogenannte „schwierige Charaktere“, Susanne Lothar. Ich fand sie als Mensch sehr sympathisch, wenn ich auch nie den Zugang zu ihrer Kunst finden konnte. Von ihrem hochgelobten Auftritt als Lulu habe ich mit etwa zwölf  Jahren Ausschnitte im Fernsehen gesehen, und es war mir absolut unverständlich, was daran toll sein sollte. Eine Frau mit Hängebrüsten wälzte sich über die Bühne, mal flüsternd, mal schreiend. In dieser Hinsicht bin ich ein Kunstbanause geblieben. Was sie danach an Film- und Theaterrollen spielte, entspricht ebenfalls nicht meinem Geschmack: Verstümmelte Psychiatrie-Insassen, die Geschichte einer zu Tode gefolterten Familie oder ein zerstrittenes Paar nebst tiefgekühlter Hand im Gefrierschrank. Eine Theater-Garderobiere sprach die Schauspielerin einst an, sie sei es leid, das Erbrochene der Zuschauer aufzuwischen, die es nicht mehr bis zur Toilette schafften. Was jemanden reitet, sich solch ekelerrende Filme und Theaterstücke anzusehen, ist für mich schwer nachzuvollziehen. Ich möchte gewaltfreie Unterhaltung: Witzige Dialoge, interessante Persönlichkeiten, gern garniert mit Küssen und Sex, und mein Filmabend ist perfekt.  Keine Waffen, kein Horror und keine Psychothriller, sonst kann ich nachts nicht schlafen. Ich bin ein Weichei und stolz darauf. Unter anderem auch, weil ich nicht glaube, dass die Seele unbeschadet bleibt, wenn man sich ständig mit schlimmen Geschichten und Greueltaten auseinandersetzt. Ich will damit nicht sagen, dass alle Menschen, die Horrorfilme mögen, irgendwann loslaufen und andere Menschen niedermetzeln. Ganz bestimmt nicht alle.
Tatsache ist, dass eine Schauspielerin, die fast nur zerbrochene Figuren darstellt, im Alter von gerade mal fünfzig Jahren stirbt. Kurz nach ihrem Mann und Filmpartner, auch dieser spezialisiert auf tragische Rollen. Wenige Jahre nach einem anderen ihrer Schauspielpartner, auch dieser abonniert auf finstere Gestalten in Psychodramen. Und etwa zehn Jahre nach der Dramaturgin, die das Stück über den sadistischen Psychologen verfasst hat, bei dem sich Zuschauer im Theater übergeben müssen: Sarah Kane. Sie hat mit 28 Jahren den Freitod gewählt. (Sie erhängte sich in einer psychiatrischen Anstalt.)

Vielleicht ist das der Preis von Genialität: Hochgepriesene Geschichten, die so außergewöhnlich sind, dass die Begeisterung das Entsetzen überwiegt. Aber wie kann man sich solche Geschehnisse ausdenken oder derart überzeugend darstellen, ohne dass die eigene Persönlichkeit dabei leidet? Stephen King durchsucht jeden Abend sein ganzes Haus nach unerwünschter Gesellschaft.

Susanne Lothar war eine sehr sympathische Frau und sicher eine großartige Schauspielerin. Vielleicht hätte ihr ein bisschen mehr „Pretty Woman“ und weniger „Ultra-Othello“ ganz gut getan.

Christoph Maria Herbst ist nicht mein Lieblingsschauspieler. Es könnte an Stromberg liegen, jedenfalls geht es mir wie Jake Blues mit dem Bullenauto: Ich mag ihn nicht. Aber nach vielen brillanten Filmen gestehe ich ein: Er ist gut. Und das bringt er zum Glück auch in lustigen Rollen und als Synchronsprecher zum Einsatz. Qualität lässt sich auch weit nach Heinz Erhardt noch mit Unterhaltung verbinden.

Ich hatte gerade eine Erleuchtung: Das nächste Regen-Programm für meine Kinder ist „Willkommen bei den Schti‘s“. Aber schisser!