Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Mittwoch, 28. November 2012

Pojekt K

Die Herausforderungen des Alltags bringen mich immer wieder an meine persönlichen Grenzen. Nicht leistungsorientiert, sondern in kommunikativer Hinsicht bin ich häufig vollkommen ratlos, was ich machen soll. Wie geht man mit der stetig steigenden Zahl der Super-Muttis um, die ungefragt überall ihren Senf dazugeben, alles besser wissen und aus dem Alltag von Kindern einen regelrechten Dauerwettstreit machen? Ich nenne sie nur noch Projekt-Mütter. Damit meine ich Frauen, die ihre Kinder nach einem Businessplan großziehen, mit individueller Förderung und optimaler Ressourcennutzung ab der Empfängnis, 24 Stunden am Tag. Durch Mamas Bauchdecke sowie geburtsbegleitend Mozartklänge, frisch geschlüpft ab zu PEKiP, Musik-Garten, Sportförderunterricht und in den „Früh übt sich: Wissenschaft für junge Talente Club“. Ab Kindergartenalter sind dem Leistungswahn keine Grenzen mehr gesetzt, egal ob Sport, Musik oder andere Bereiche - für alles gibt es Bambini-Gruppen, um nur ja kein Talent zu vergeuden. Engländer nennen ihre Kleinkinder Toddler, was nicht nur ausgesprochen nett klingt, sondern die Entwicklung lautmalerisch beschreibt. Toddler klingt nach unsicheren Schritten, stolpernd die Welt erobern und staunend um sich blicken. Bei uns hingegen besteht diese Altersgruppe aus den Nobelpreisträger von übermorgen, belauscht man die Gespräche der zugehörigen Eltern. Und wenn schon kein begnadeter Wissenschaftler, so ist ein Fußball- oder Tennisstar doch das Mindeste, was die ehrgeizigen Projektleiter mit ihrem Power-Programm heranziehen.
Ganz ehrlich: ich möchte mir das Zusammenleben mit einem Superhirn gar nicht vorstellen. So ein kleiner durchtriebener Perfektionist, der alle meine Fehler sofort bemerkt und mich irgendwann anzeigt, wie in George Orwells 1984. Mir reichen normale, altersgerecht entwickelte Kinder, wie es im Fachjargon so schön heißt. Die bringen uns träge Erwachsene oft genug durch aufmerksames Beobachten und Nachfragen in so manch unangenehme Situation. „Wieso wolltest du dich gerade vor der Mama von Lukas verstecken? Warum darf ich nicht lügen? Du sagst zu Leuten am Telefon doch auch immer, dass du unterwegs bist, obwohl es nicht stimmt ...“ Wer mit halbwegs gesundem Verstand wünscht sich bitteschön ein Genie zum Kind? Albert Einstein hielt seiner Frau einen Vertrag unter die Nase, der ihr schriftlich untersagte, ihren Gatten von sich aus anzusprechen. Ich bezweifle, dass er als Kind umgänglicher war. Soziale Kompetenz sieht in jedem Fall anders aus. Selbst wenn die Ellbogen-Erziehung spürbar zunimmt („Lass dir nichts gefallen und sieh zu, dass du immer der Erste bist, egal, mit welchen Mitteln“), irgendwann bekommt jeder von uns zu spüren, dass andere Werte zählen.
Aber weil Tennisspieler und Fußballer oder sonstige Sternchen in kurzer Zeit richtig viel Kohle verdienen, wenn sie bekannt sind, also dann wenigstens das! Super Idee, ihr Lieben. Viel Spaß beim Coachen und Drillen. Und den wenigen, die erfolgreich sind, wünsche ich noch mehr Spaß bei den Folgen. Auch C- und D-Promis haben Eltern. Die schauen über Kabel und am Zeitschriftenkiosk zu, wie ihre Sprösslinge, einstige Super-Bobbels, Rekord-Lodders und Unten-Ohne-Sirenen nicht mehr die Courts, Plätze und Bühnen dieser Welt unsicher machen, sondern kaffeebraune, blonde und sonstige Schönheiten mit wenig IQ und viel Geltungsbedürfnis jagen oder traurige Schlagzeilen über Alkoholsucht schreiben. Stellen Sie sich einen Tag lang vor, das sind Ihre Kinder. Ehemals berühmt, jetzt zum eigenen Abziehbild verkommen. Wer will schon täglich die dümmsten Zitate seiner Leibesfrucht lesen - schwarz auf weiß und dokumentiert für die Ewigkeit.
Meine Kinder diskutieren über das richtige Shirt für die Schule, die Schuhe, das Frühstück, das Abendessen, wann es Zeit fürs Zubettgehen ist, über den Spielzeugtag, das Aufräumen, lästige Körperpflege, Armbänder, die Farbe der Unterhose, zu weite Jeans, dicke Strümpfe, den vorzeitigen Schluss eines gemeinsamen DVD-Abends und tausend andere Kleinigkeiten. Jeden Tag. Irgendwann sind sie, wenn alles gut läuft, erwachsen, ziehen aus, haben ihr Leben selbst im Griff - und besuchen von Zeit zu Zeit ihre alten Eltern. Dazwischen ist Ruhe. Und kein Mensch liest irgendwelche Schreckensmeldungen über sie in der Zeitung. Wenn ich es mal so weit geschafft habe, bin ich richtig stolz auf mich!

Donnerstag, 22. November 2012

Verkehr verkehrt

Es gibt Nachwuchs im deutschen Schilderwald. Wahrscheinlich wird den vielen ausrangierten Politikern (u. a. weggemobbte Ex-Präsidenten, Ex-Minister, Ex-Parteichefs) eine Beteilung an Warntafel-Herstellern angeboten zur Aufbesserung der schmalen Rente. Unsere Verkehrsbeschilderung ist derart dicht bepflanzt, dass einige Hinweistafeln heutzutage regelmäßig ignoriert werden. Park- und Halteverbot zum Beispiel sind zur Dekorationsware verkommen: Regelmäßig parken in diesen Bereichen Autos für Einkäufe, Friseurbesuche und dergleichen, gern mit Warnblinkanlage, und blockieren den Durchgangsverkehr, Einfahrten oder gleich die ganze Straße. Aber getreu dem Motto "unsere Stadt soll bunter werden" kommen fleißig neue Schilder dazu. An einer zweihundert Meter langen Stichstraße prangen seit voriger Woche vier neue Zeichen: "Fahrradstraße - Autos frei". Geändert hat sich am Verkehr dadurch freilich nichts. Warum auch? Täglich beobachte ich, wie Autofahrer konsequent bei Rot über die Ampel fahren. An einem Zebrastreifen für Fußgänger anzuhalten gilt als Kavaliersdelikt. Und wer von einem Polizisten auf ein Vergehen hingewiesen wird, beklagt sich monatelang über diese himmelschreiende Ungerechtigkeit. Regeln sind schließlich dazu da, gebrochen zu werden. Das schönste Bonmot stammt von einer Mutter aus der Kindersport-Gruppe: „Mit sechzig km/h darf man in der Stadt nicht fahren. Da ist man ein Verkehrshindernis!“ Sie fährt deshalb immer achzig. Dies scheint eine weitverbreitete Meinung unter Müttern zu sein: Jeden Morgen rasen Dutzende von Autos durch Wohngebiete und gepflasterte Altstadtbereiche und halten mit quietschenden Reifen direkt an der Schultür, damit Kinder nicht dem gefährlichen Straßenverkehr ausgesetzt werden.
Vor kurzem hat mein Sohn die Fahrradprüfung abgelegt. Wir trainierten brav auf dem Verkehrsübungsplatz, besonders das Linksabbiegen - stets begleitet von meinem Mantra: „Das musst du in der Prüfung genau so machen. Und danach bitte NIE MEHR WIEDER!“ Denn die theoretische Verkehrserziehung von Schülern bedeutet in der Praxis schlichtweg permanente Lebensgefahr für die Kinder - weshalb kein einziger Praxistest Realverkehr mit Lehrern und Polizei stattgefunden hat! 

Warum ich eigentlich auf „Verkehrten Verkehr in Germany“ gekommen bin, hat aber einen ganz anderen Hintergrund: die Geisterfahrer. Sämtliche Medien überschlagen sich derzeit in Berichten über diese bevorzugt als Horror-Unfälle betitelten Tragödien. Unglücksfälle mit mehreren Toten und verursacht von lebensmüden, geistig verwirrten oder alkoholisierten Falschfahrern, geben sich fast täglich die Trauerschleife in die Hand. Interessanterweise taucht in diesem Bereich nie der Begriff Nachahmungstäter auf. Bei der Bahn wird konsequent darauf verzichtet, Selbstmörder als solche zu titulieren aus Angst, es könnten auch andere die Idee aufgreifen. Bei psychisch kranken oder unzurechnungsfähigen Menschen, die auf der falschen Fahrbahn in den Tod rasen dagegen hofft man, sie durch zusätzliche Schilder von ihrem Vorhaben abzubringen.
Angeblich läuft in Bayern seit einiger Zeit ein groß angelegter Feldversuch mit neonfarbenen Warntafeln, die eine falsche Einfahrt kennzeichnen sollen. Ergebnisse liegen demnächst vor, heißt es.
Ich habe bisher kein einziges dieser Schilder gesehen. Das mag an meinen eher sporadischen Autobahnfahrten liegen. Was mich bedenklich stimmt, ist: Wird solchen Menschen ihr Vorhaben nicht zusätzlich erleichtert durch eine Tafel, die auf die falsche Einfahrt aufmerksam macht?



Wie kann man überhaupt den Erfolg von etwas Nicht-Existentem messen? Woran erkennt man den Erfolg einer solchen Beschilderung? Vielleicht so: Die Tafeln wurden aufgestellt, und danach abgezählt, wie viele Fahrer nicht falsch auf die Autobahn gefahren sind. Das Ergebnis kann ich mir denken: Ein bisschen Neonschrift schützt effektiv vor geistig unzurechnungsfähigen Menschen. Für solche Schönrechnungen wird unser Verkehrsminister irgendwann in die Geschichte eingehen.

... Und wenn es Schilder „STOP FALSCH“ gibt, müssen dann nicht auch noch welche aufgestellt werden: „HIER RICHTIG“? Sonst könnten sich potentielle Geisterfahrer diskriminiert fühlen!

Montag, 12. November 2012

Berlin, Berlin - am A... der Bundesrepublik

Ich zitiere nur sehr ungern die deutsche Presse mit den vier Großbuchstaben. Heute bleibt mir leider nichts anderes übrig, angesichts eines besorgniserregenden Fotos und der daraus resultierenden Frage: Wie tief sind wir gesunken? Wir erinnern uns: Berlin ist Regierungssitz und Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland. Außerdem hat Berlin Schulden in Höhe von geschätzt 130 Milliarden Euro. (Baden-Württemberg hat zum Vergleich 67 Milliarden, dank Herrn Mappus und seiner Notstandsgesetze zwecks Notkäufen.) Wie sich der Flughafen oder vielmehr dessen Baustelle in den nächsten Jahren auf die Stadt mit dem Bären und deren Säckel auswirkt, steht ebenso in den Sternen wie der weitere Verlauf der Euro-Krise. Dass die S-Bahn dort ständig kollabiert, ist längst keine Schlagzeile mehr wert. Das Stadtbild ist mehr schäbig als schick - aber das kann ja durchaus auch Charme haben.Was sagte der launige Stadtvater einst so schön? Berlin ist arm, aber sexy!

Vielleicht sollten sie sich mal das Tütenrauchen während der Stadtratsitzungen abgewöhnen. Denn während unsere Volksvertreter wenigstens außenpolitisch noch halbwegs den Schein der Zurechnungsfähigkeit wahren, wird die Situation innenpolitisch bedenklich. Was ist eine der abfälligsten Bemerkungen, die man über jemanden machen kann? „Der kann nicht mal seinen Namen schreiben!“ Und jetzt das:




Mein Mitleid gilt den Ordnungshütern, die dieses Fahrzeug nutzten! Vielleicht war der Schreibfehler der Grund, warum die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in München stattfinden mussten. Frau Merkel hat‘s gleich bemerkt... und zuallererst an sich und ihren Ruf gedacht. (Ich würde mich auch lieber von der Polizei als von der Pozilei oder der Pilozei oder sonst wem begleiten lassen; nur original ist legal!)

Zum Glück war es ein Einzelfall. Ansonsten wäre mein Vorschlag zur Schadensbegrenzung eine Gesetzesänderung: Wir lassen künftig deutschlandweit einfach regelmäßig Buchstaben weg. Ein einheitliches farbliches Erscheinungsbild gibt es bei den Damen und Herren in Grün, Blau, Weiß und Silber schon lange nicht mehr. Noch einfacher wäre eine allgemein gültige Kürzung der Bezeichnung. Zum Beispiel könnte man sich auf die Verwendung nur der ersten beiden Buchstaben einigen. Das dürfte auch das Gefühl widerspiegeln, das diese Berufsgruppe in Sachen Ansehen bei uns häufig empfindet. Der Testlauf fürs neue Logo findet - logo - in Berlin statt. Die Bewohner sind nach den letzten fünfzig Jahren hart im Nehmen. Nicht mal Kaiser Franz als Kanzlerkandidat könnte die schockieren. Gespart werden muss ohnehin, und der Frontgaukler im Bürgermeistersessel ist sich für keinen schlechten Witz zu schade.

A propos Verschreiber: vielleicht heißt der BER in Wirklichkeit BÄR, und jetzt will ihn keiner mehr bauen, weil der Name falsch ist...