Ich habe heute einen Katalog bekommen. Mit aktueller Frühlingsmode, pünktlich zum schönen Wetter. „Für klasse Frauen“, wie auf dem Titel vollmundig in Großdruck angepriesen wird. Doch, oh weh, einmal durchgeblättert staunt der Betrachter über gar seltsame Szenen: Eine hübsche junge Frau sitzt auf einer Gartenbank, strahlt in die Kamera und streichelt das Huhn, das auf ihrem Schoß sitzt. Mir stellen sich drei Fragen: 1. Warum hat die Frau ein Huhn auf dem Schoß? 2. Ist es das signifikante Merkmal einer Klasse-Frau, Hühner zu streicheln? 3. Ich habe kein Huhn. Ein Manko?
Es wird auf den folgenden Seiten nicht besser: Cocktailtrinkende Frauen im Ökolook stehen auf einer Bank in einer verwaisten Beach-Bar. Mein Favorit ist jedoch die aparte Dame, die perfekt geschminkt vor einer Reihe Waschmaschinen mit verlegenem Gesichtsausdruck ein kleines T-Shirt in die Kamera hält. Ihren Look vervollständigen rosa und lila Lockenwickler. Ah ja. Ich fürchte, ich bin keine klasse Frau. Ich gehöre nicht zur Zielgruppe.
Dieses Gefühl habe ich in letzter Zeit häufig: Wenn ich eine strahlende Mutti mit süßem Zwerg auf dem Arm sehe, die mir via Werbeplakat erklärt, dass sie mit Papi nicht das Konto, sondern den Akku leer telefoniert. Ist das nicht prima? Für alle Väter, die ihre Familie fast nie sehen. Und umgekehrt. Das freut einen doch. Welches Kind braucht schon die physische Anwesenheit von Eltern. Meine Lieblings-Radiowerbung läuft leider nicht mehr. Eine fröhliche Frau besingt darin ihr Glück, sich zwischen Bügeln, Kochen und Waschen immer mal wieder ein Fläschchen Sekt hinter die Binde zu kippen. Ich werde jetzt nachsehen, ob ich den Spot noch irgendwo finde. Die Untiefen von Google & Co. verbergen viele Juwelen. Und ich bin heilfroh, dass ich auch hier NICHT DIE ZIELGRUPPE BIN!
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Donnerstag, 31. März 2011
Montag, 28. März 2011
Ich habe sie gesehen...
... die Unken. Sie kriechen aus ihren dunklen Löchern. Schleimig und düster und voller Warzen. Überall tauchen sie auf, aus dem Nichts. Verschollen im Untergrund der „Das-geht-mich-nichts-an-Lethargie“ und „Da-kann-man-eh-nichts-machen-Stumpfheit“. Aufgebracht durch die Störung, weg von gleichförmig, unspektakulär, gewohnt. Wir wurden angelogen und betrogen, jeder wusste es und alles war gut. Wir haben ganz in Ruhe vor uns hingedämmert, bequem in dem Kokon versponnen, wir müssten uns mit der Situation abfinden.
Gestern passierte der grandiose Schwabenstreich. Ein Regierungswechsel vollzieht sich - endlich! Übrigens: Genau deshalb gibt es Wahlen. Damit wir WÄHLEN zwischen verschiedenen Möglichkeiten. In Baden-Württemberg ist die Entscheidung gefallen, prompt geht es los mit dem Zerreden dieses Erfolgs. Anstatt sich zu freuen, dass Wahlen tatsächlich etwas bewirken können (und werden), kommen einen Tag nach dem fulminanten Erfolg einer (Achtung: Wortspiel) alternativen Partei die bösen Vorahnungen, Skepsis, Besserwisserei von all jenen, die bisher einfach nichts gemacht und nichts gesagt haben. Und dann die geheuchelte Besorgnis, ob die Grünen überhaupt genug Leute haben, ob sie das überhaupt können.
Ja mein Gott, warum denn nicht? Es hat ein Konzept gesiegt, das jedem einzelnen Bürger wieder mehr Einblick und Mitspracherecht in eine Politik gewährt, die in den vergangenen Jahren immer mehr zu einem Opus Dei mutierte. Das sollte Signalwirkung haben für alle anderen Bundesländer und alle wahlberechtigten Bürger: Man kann Menschen mit Wasserwerfern von einem Park wegschießen, nicht aber von der Wahlurne. Niemand erwartet wohl, dass die Grünen übers Wasser gehen. Tatsache ist, dass die CDU in ihrer eigenen Interessenverfolgung in jüngster Zeit derart übertrieben hat, dass Lügenpack noch das harmloseste ist, was einem dazu einfällt.
Ich lasse heute die Sektkorken knallen und freue mich über die von Angela Merkel letzten Herbst ausgerufene Schicksalswahl. Endlich bewegt sich etwas, und ich bin stolz darauf.
Gestern passierte der grandiose Schwabenstreich. Ein Regierungswechsel vollzieht sich - endlich! Übrigens: Genau deshalb gibt es Wahlen. Damit wir WÄHLEN zwischen verschiedenen Möglichkeiten. In Baden-Württemberg ist die Entscheidung gefallen, prompt geht es los mit dem Zerreden dieses Erfolgs. Anstatt sich zu freuen, dass Wahlen tatsächlich etwas bewirken können (und werden), kommen einen Tag nach dem fulminanten Erfolg einer (Achtung: Wortspiel) alternativen Partei die bösen Vorahnungen, Skepsis, Besserwisserei von all jenen, die bisher einfach nichts gemacht und nichts gesagt haben. Und dann die geheuchelte Besorgnis, ob die Grünen überhaupt genug Leute haben, ob sie das überhaupt können.
Ja mein Gott, warum denn nicht? Es hat ein Konzept gesiegt, das jedem einzelnen Bürger wieder mehr Einblick und Mitspracherecht in eine Politik gewährt, die in den vergangenen Jahren immer mehr zu einem Opus Dei mutierte. Das sollte Signalwirkung haben für alle anderen Bundesländer und alle wahlberechtigten Bürger: Man kann Menschen mit Wasserwerfern von einem Park wegschießen, nicht aber von der Wahlurne. Niemand erwartet wohl, dass die Grünen übers Wasser gehen. Tatsache ist, dass die CDU in ihrer eigenen Interessenverfolgung in jüngster Zeit derart übertrieben hat, dass Lügenpack noch das harmloseste ist, was einem dazu einfällt.
Ich lasse heute die Sektkorken knallen und freue mich über die von Angela Merkel letzten Herbst ausgerufene Schicksalswahl. Endlich bewegt sich etwas, und ich bin stolz darauf.
Freitag, 25. März 2011
Gelangweilte Forscher haben herausgefunden: Unregelmäßiger Sex kann tödlich sein.
Ausführlich zu lesen in den heutigen Internet-Nachrichten. Gewiss geht die Forschung weiter. Das nächste Ergebnis wird sein, dass unregelmäßiger Sex zum Wahnsinn führt. Hurra! Endlich kennen wir den wahren Grund für Knuts vorzeitiges Ableben, die absurden Kommentare unserer Politiker zur Atomkraft und E10, einfach alles Elend dieser Welt. Denn wer zum Teufel hat schon regelmäßigen Sex?
Und überhaupt: der Tod. Soweit ich weiß, wird unser aller Leben eines Tages darin münden. Diese Woche bescherte uns die schönste Frau der Welt durch den ihren eine willkommene Abwechslung in den eintönigen Horrorszenarien, die sich rund um den Globus abspielen. Die wunderbare Liz Taylor hatte ein aufregendes Leben. Als Teenager fand ich sie ziemlich schräg: übergewichtig, schrill geschminkt und mit ihrem achten Gatten, einem tumben Vokuhila vom Bau. Heute finde ich sie phantastisch. Wunderschön und trotzdem authentisch mit all ihren Männern, Problemen und Krankheiten, die der Preis ihres Erfolges waren. Der Skandal folgt auf dem Fuße. Nun ist doch der begnadete Nachrufschreiber der New York Times schon vor ihr von dieser Welt gegangen! (Nicht auszudenken, wenn er sich statt eines vorzeitigen Todes einige Zitierfehler hätte zuschulden kommen lassen.) Ist das nicht skurril: Da stirbt die letzte große Leinwandgöttin, und wir halten uns damit auf, Würdigungen ihrer Person zu kontrollieren wie DDR-Grenzer Besuchsvisa. Hat noch niemand ein fehlendes Komma in der letzten Rede von Angela Merkel entdeckt? Das ist doch viel wichtiger als die Tatsache, dass man in Bayern und Badenwürttemberg vier Atomkraftwerke gleichzeitig abschält, ohne dass es jemand bemerkt! (Bei mir jedenfalls geht alles: Waschmaschine, Eierkocher, S-Bahn, der Gemahl zur Arbeit...) Vielleicht könnte man alle abschalten, vielleicht brauchen wir diese Reaktoren gar nicht mehr. Wir werden es nie erfahren. Wir haben wichtigere Probleme: Die Grammatik von Lothar Matthäus und ein Krimi über schwule Fußballer. (Und irgendwo zwischen Pamir und Hindukusch lachen sich die Taliban schlapp.)
Und überhaupt: der Tod. Soweit ich weiß, wird unser aller Leben eines Tages darin münden. Diese Woche bescherte uns die schönste Frau der Welt durch den ihren eine willkommene Abwechslung in den eintönigen Horrorszenarien, die sich rund um den Globus abspielen. Die wunderbare Liz Taylor hatte ein aufregendes Leben. Als Teenager fand ich sie ziemlich schräg: übergewichtig, schrill geschminkt und mit ihrem achten Gatten, einem tumben Vokuhila vom Bau. Heute finde ich sie phantastisch. Wunderschön und trotzdem authentisch mit all ihren Männern, Problemen und Krankheiten, die der Preis ihres Erfolges waren. Der Skandal folgt auf dem Fuße. Nun ist doch der begnadete Nachrufschreiber der New York Times schon vor ihr von dieser Welt gegangen! (Nicht auszudenken, wenn er sich statt eines vorzeitigen Todes einige Zitierfehler hätte zuschulden kommen lassen.) Ist das nicht skurril: Da stirbt die letzte große Leinwandgöttin, und wir halten uns damit auf, Würdigungen ihrer Person zu kontrollieren wie DDR-Grenzer Besuchsvisa. Hat noch niemand ein fehlendes Komma in der letzten Rede von Angela Merkel entdeckt? Das ist doch viel wichtiger als die Tatsache, dass man in Bayern und Badenwürttemberg vier Atomkraftwerke gleichzeitig abschält, ohne dass es jemand bemerkt! (Bei mir jedenfalls geht alles: Waschmaschine, Eierkocher, S-Bahn, der Gemahl zur Arbeit...) Vielleicht könnte man alle abschalten, vielleicht brauchen wir diese Reaktoren gar nicht mehr. Wir werden es nie erfahren. Wir haben wichtigere Probleme: Die Grammatik von Lothar Matthäus und ein Krimi über schwule Fußballer. (Und irgendwo zwischen Pamir und Hindukusch lachen sich die Taliban schlapp.)
Montag, 21. März 2011
Mein Kampf mit Paypal
Ich LIEBE Online-Shopping! Es erspart mir unheimlich viel Zeit und noch mehr Nerven. Mit drei Männern macht Einkaufen keinen Spaß. Außerdem heißen Verkäufer heute Store-Models und bezeichnen Paris Hilton oder Claudia Effenberg als größtes Idol. Das erspare ich mir nur zu gern. (Die männliche Variante unterscheidet sich von der weiblichen übrigens nur in ihrer sexuellen Orientierung. Und ich lasse mich nicht gern von oben herab behandeln. Auch nicht von Schwulen.)
Doch das elektronische Einkaufen ist, trotz hilfsbereiten Personals und einer schier unglaublichen Übersicht, ebenfalls nicht frei von Tücken: Spätestens beim Bezahlen wird es richtig kompliziert. Eine Zeitlang peinigte mich die Angst vor der Privatinsolvenz. Ich hatte schlaflose Nächte, wenn ich an die vielen offenen Bestellungen dachte, dich sich innerhalb weniger Tage ansammeln. Jetzt nicht mehr. Ich habe heute ungefähr sechs Paypal-Konten eingerichtet, um meinem Kaufrausch besser fröhnen zu können. Das so verheißungsvolle "Sicherererer..." entpuppte sich bei mir jedoch eher als "noch unsicherererer geht es nicht". Anstatt in freudiger Erwartung unzähliger Päckchen bin ich nur um etliche Accounts reicher (und nicht nur ich: mindestens zwei davon laufen auf meinen Mann, keine Ahnung, warum). Accounts, die ich niemals nutzen werden, weil ich für jeden ein neues Passwort nehmen musste.
Mit hemmungslosem Shoppen wars also nix; die Konten liegen brach, ebenso die Bestellungen. Vielleicht aber auch nicht! Mir kamen meine Kollegen in den Sinn, die mit Fantasienamen und -adressen quer durch die Welt chatten. Eventuell gibt es noch mehr Leute, die Probleme mit den einfachen und sichererereren Bestell- und Bezahloptionen haben. Wahrscheinlich wundert sich just in diesem Moment ein kubanischer Tabakbauer über die Lieferung einer pinken Armbanduhr. Mit Paris Hilton Straß-Logo.
Also von mir ist die nicht!
Doch das elektronische Einkaufen ist, trotz hilfsbereiten Personals und einer schier unglaublichen Übersicht, ebenfalls nicht frei von Tücken: Spätestens beim Bezahlen wird es richtig kompliziert. Eine Zeitlang peinigte mich die Angst vor der Privatinsolvenz. Ich hatte schlaflose Nächte, wenn ich an die vielen offenen Bestellungen dachte, dich sich innerhalb weniger Tage ansammeln. Jetzt nicht mehr. Ich habe heute ungefähr sechs Paypal-Konten eingerichtet, um meinem Kaufrausch besser fröhnen zu können. Das so verheißungsvolle "Sicherererer..." entpuppte sich bei mir jedoch eher als "noch unsicherererer geht es nicht". Anstatt in freudiger Erwartung unzähliger Päckchen bin ich nur um etliche Accounts reicher (und nicht nur ich: mindestens zwei davon laufen auf meinen Mann, keine Ahnung, warum). Accounts, die ich niemals nutzen werden, weil ich für jeden ein neues Passwort nehmen musste.
Mit hemmungslosem Shoppen wars also nix; die Konten liegen brach, ebenso die Bestellungen. Vielleicht aber auch nicht! Mir kamen meine Kollegen in den Sinn, die mit Fantasienamen und -adressen quer durch die Welt chatten. Eventuell gibt es noch mehr Leute, die Probleme mit den einfachen und sichererereren Bestell- und Bezahloptionen haben. Wahrscheinlich wundert sich just in diesem Moment ein kubanischer Tabakbauer über die Lieferung einer pinken Armbanduhr. Mit Paris Hilton Straß-Logo.
Also von mir ist die nicht!
Donnerstag, 17. März 2011
Japan und der FC Bayern erleben den Supergau und ich gehe shoppen
Die Japaner tun mir leid. Explodierende Atomkraftwerke sind kein Anlass für Witze. Ebenso wenig die Revolution in Libyen, unzählige Lebewesen, die tagtäglich aussterben, Tsunamis, Erdbeben und Hurrikane. Das jüngste Debakel des FC Bayern München schon eher, jedenfalls für neutrale Beobachter.
Aber vielmehr scheint in unserer Welt nicht zu passieren. Aktuell wird man von allen Seiten bombardiert mit Berichten über die Geschehnisse in Japan. Kein anderes Thema ist seit einer Woche derart allgegenwärtig, und wir haben keine Chance, uns dieser Informationsflut zu entziehen. Drei Wochen zuvor lautete das Schlagwort Plagiat, jetzt ist es der Supergau. Ich für meinen Teil habe die Schnauze voll. Ich flüchte in die heile Welt des Online-Shoppings. Ständig ertappe ich mich dabei, nach neuen Schuhen und Taschen Ausschau zu halten. Warum? Wenn der BMI über 18 liegt, scheiden Klamotten als Trostpflaster aus. Einkaufen ist jedoch der einzige Trost, zwischen all den Horrorszenarien ein paar schöne Dinge zu sehen, die nichts anderes sind als – schön! Eine ästhetische, ansprechende Abwechslung ist Balsam für die Seele. Braune Stiefeletten, ein elegantes Abendtäschchen, filigrane Sommersandalen, eine schicke Hülle für mein Laptop. Irgendetwas in der Art kann ich immer brauchen.
Das folgende Zitat stammt aus einer Zeit vor der letzten Wirtschaftskrise und dem Atom-Problem. Die Quintessenz, auch Kernidee genannt (ha ha), bleibt:
"When I feel bad I like to treat myself. Clothes never look any good, food just makes me fatter. Shoes always fit. "
(Toni Collette, „In her shoes“, 2005)
Ich weiß zwar im Moment nicht, wie ich diese Flucht auf Dauer bezahlen soll, aber vielleicht sind wir in Kürze alle verstrahlt oder werden von den Taliban überrannt, die sich tierisch freuen, dass unsere Medien so bescheiden in ihrer Themenwahl sind.
Montag, 14. März 2011
Risse in Raum und Zeit
Es ist ein schöner sonniger Morgen Mitte März. Ich fahre mit leise schnurrender Luxuskarosse durch eine süddeutsche Stadt, zusammen mit vielen anderen modernen, teuren Autos. Es duftet nach Frühling, die Vögel zwitschern. Die Menschen um mich herum sind wohlhabend, gut gekleidet, lesen Zeitung und sehen wichtig aus. Wenige Minuten später stehe ich am Bahnsteig, und wuuums, ich bin Iwana Iwanowa und wohne im hintersten Zipfel Sibiriens. Es ist zugig am Bahnsteig, ein kalter Windzug fegt die Kragen hoch und die Mundwinkel nach unten. Der erwartete Zug kommt mal wieder nicht. Pünktlich kommt er so gut wie nie. Im besten Fall nur ein paar Minuten zu spät, oft fällt er auch ganz aus. Mit viel Glück gibt es eine Durchsage oder eine Anzeige (technischer Defekt, Störung, zu viel Schnee, Hitze oder Regen), meist jedoch steht man einfach in der Kälte und harrt aus. Eine Wartehalle gibt es schon lange nicht mehr. Dafür jede Menge Alkoholleichen und Drogensüchtige, die auf dem Bahnhofsgelände umherschleichen, gebrauchte Fahrkarten verkaufen und mit kleinen Augen in die Welt blinzeln.
Irgendwann kommt sie dann doch, die Bahn. Alle steigen ein. Wir bewegen uns blitzartig zurück in die deutsche Realität: Schubsen, stoßen und drängeln haben wir perfektioniert. Wenig später, am Arbeitsplatz, zack, der nächste Riss: Jetzt befinden wir uns mitten im deutschen demokratischen Sozialismus. Jeder ist frei und darf seine Meinung sagen und alle sind gleich. Solange man mit der Führungsriege konform geht. Anderfalls erfährt man in einem Vier-Augen-Gespräch, dass man das ausgeklügelte System nicht verstehe, die Verantwortlichen stets sinnvoll agieren und jeder Kritik erhaben sind. Bestenfalls...
In der Mittagspause folgt mit der Schlacht in der Kantine um das erste, beste und letzte Stück Fleisch die Rückverwandlung in einen Höhlenmenschen.
Später: Feierabend, nächster Zeitsprung, zurück nach Novosibirsk: Die Probleme vom Vormittag, welcher Art auch immer, verhindern weiterhin das planmäßige Fahren der Züge. An Tagen ohne technische Störungen werden wir Fahrgäste des öffentlichen Nahverkehrs - Achtung, gut festhalten - ins streikfreudige Frankreich katapultiert.
Auch beim Einkaufen gibt es sie, die Ausflüge in Welten fernab der Zivilisation, wo nach einem halben Jahr Winter der erste Lastwagen mit heißersehnten Lebensmitteln ins Dorf kommt. Nämlich, wenn im Aldi ein Sortiment Kinderkleider erhältlich ist.
Vielleicht gerate ich irgendwann in einen anderen Riss. Und lande als Heidi beim Almöhi. Als Badeschwamm in einem Luxusspa oder als heiliger Hund im alten Ägypten. Oder als Verschluss auf einer Flasche Macallen.
Irgendwann kommt sie dann doch, die Bahn. Alle steigen ein. Wir bewegen uns blitzartig zurück in die deutsche Realität: Schubsen, stoßen und drängeln haben wir perfektioniert. Wenig später, am Arbeitsplatz, zack, der nächste Riss: Jetzt befinden wir uns mitten im deutschen demokratischen Sozialismus. Jeder ist frei und darf seine Meinung sagen und alle sind gleich. Solange man mit der Führungsriege konform geht. Anderfalls erfährt man in einem Vier-Augen-Gespräch, dass man das ausgeklügelte System nicht verstehe, die Verantwortlichen stets sinnvoll agieren und jeder Kritik erhaben sind. Bestenfalls...
In der Mittagspause folgt mit der Schlacht in der Kantine um das erste, beste und letzte Stück Fleisch die Rückverwandlung in einen Höhlenmenschen.
Später: Feierabend, nächster Zeitsprung, zurück nach Novosibirsk: Die Probleme vom Vormittag, welcher Art auch immer, verhindern weiterhin das planmäßige Fahren der Züge. An Tagen ohne technische Störungen werden wir Fahrgäste des öffentlichen Nahverkehrs - Achtung, gut festhalten - ins streikfreudige Frankreich katapultiert.
Auch beim Einkaufen gibt es sie, die Ausflüge in Welten fernab der Zivilisation, wo nach einem halben Jahr Winter der erste Lastwagen mit heißersehnten Lebensmitteln ins Dorf kommt. Nämlich, wenn im Aldi ein Sortiment Kinderkleider erhältlich ist.
Vielleicht gerate ich irgendwann in einen anderen Riss. Und lande als Heidi beim Almöhi. Als Badeschwamm in einem Luxusspa oder als heiliger Hund im alten Ägypten. Oder als Verschluss auf einer Flasche Macallen.
Dienstag, 1. März 2011
Von der roten Zora zum letzten G.-Groupie
Manchmal träume ich von der Zukunft. Dabei geht es nicht um die nächsten fünf Jahre, sondern um unbestimmte Zeit, das Irgendwann. Es gibt zwei Versionen:
1. Ich bin durchgedreht, marschiere wild gestikulierend herum und erzähle den Passanten unzusammenhängendes Zeug. (Vielleicht rede ich auch nur mit mir selbst, das Ergebnis ist wohl das gleiche.)
2. Ich bin eine weißhaarige alte Frau und amüsiere die Pfleger im Heim mit meiner Suche nach Kuscheltieren, Schlüsseln und was kleine Jungs und erwachsene Männer sonst so verlegen.
Derzeit ist Variante 1 die wahrscheinlichere: Ich grüble und grüble und verstehe einfach nicht, warum Persönlichkeiten wie Margot Käßmann und Karl Theodor zu Guttenberg erst systematisch ruiniert und danach für ihre Konsquenz gelobt werden.
Sie haben Mist gebaut: Abschreiben ist nicht in Ordnung. Alkoholisiert Auto fahren ebensowenig. Aber mehr war es nicht! Und wegen solcher Lappalien Aufruhr und ein Revival des Märtyrertums? Keines der beiden Vergehen wird bei den Todsünden aufgeführt. Nicht einmal die zehn Gebote sind maßgeblich verletzt.
Ich wähle übrigens niemals schwarz und ich bin nicht evangelisch. Trotzdem könnte ich heulen angesichts dieser Verschwendung von Talent, Energie und Potential. Ja, da jubeln sie, die unerträglichen Moralapostel und Gutmenschen unserer Gesellschaft. Diese beiden waren einfach viel zu gut für uns. Auf jeden Fall besser als die meisten anderen. Mir bleibt der Trost im Rotwein und die ständig wiederkehrende Phantasie einer verwirrten Wanderpredigerin. Naja, eigentlich gar nicht so weit weg von meinem jetzigen Ich.
Vielleicht, wenn die Welt ein bisschen gerecht ist, tauchen demnächst ein paar dunkle Geheimnisse dieser besserwisserischen Sachverständigen und Scheinheiligen auf: in Domina-Studios am Andreaskreuz, bei wilden Orgien mit hübschen Studentinnen, im Wandschrank auf der Sekretärin oder im Beichtstuhl mit ... Egal. Ich fürchte, solange wir solchen Zirkus zulassen und mitmachen, haben wir es einfach nicht besser verdient. Prost.
1. Ich bin durchgedreht, marschiere wild gestikulierend herum und erzähle den Passanten unzusammenhängendes Zeug. (Vielleicht rede ich auch nur mit mir selbst, das Ergebnis ist wohl das gleiche.)
2. Ich bin eine weißhaarige alte Frau und amüsiere die Pfleger im Heim mit meiner Suche nach Kuscheltieren, Schlüsseln und was kleine Jungs und erwachsene Männer sonst so verlegen.
Derzeit ist Variante 1 die wahrscheinlichere: Ich grüble und grüble und verstehe einfach nicht, warum Persönlichkeiten wie Margot Käßmann und Karl Theodor zu Guttenberg erst systematisch ruiniert und danach für ihre Konsquenz gelobt werden.
Sie haben Mist gebaut: Abschreiben ist nicht in Ordnung. Alkoholisiert Auto fahren ebensowenig. Aber mehr war es nicht! Und wegen solcher Lappalien Aufruhr und ein Revival des Märtyrertums? Keines der beiden Vergehen wird bei den Todsünden aufgeführt. Nicht einmal die zehn Gebote sind maßgeblich verletzt.
Ich wähle übrigens niemals schwarz und ich bin nicht evangelisch. Trotzdem könnte ich heulen angesichts dieser Verschwendung von Talent, Energie und Potential. Ja, da jubeln sie, die unerträglichen Moralapostel und Gutmenschen unserer Gesellschaft. Diese beiden waren einfach viel zu gut für uns. Auf jeden Fall besser als die meisten anderen. Mir bleibt der Trost im Rotwein und die ständig wiederkehrende Phantasie einer verwirrten Wanderpredigerin. Naja, eigentlich gar nicht so weit weg von meinem jetzigen Ich.
Vielleicht, wenn die Welt ein bisschen gerecht ist, tauchen demnächst ein paar dunkle Geheimnisse dieser besserwisserischen Sachverständigen und Scheinheiligen auf: in Domina-Studios am Andreaskreuz, bei wilden Orgien mit hübschen Studentinnen, im Wandschrank auf der Sekretärin oder im Beichtstuhl mit ... Egal. Ich fürchte, solange wir solchen Zirkus zulassen und mitmachen, haben wir es einfach nicht besser verdient. Prost.
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