Es gibt solche Menschen, die in anderen stets das Gute sehen. Sie wissen schon, die netten, die sich um ihre Nächsten sorgen und kümmern. Die sich ehrenamtlich engagieren und allzeit hilfsbereit sind. Die vier Kinder in die Welt setzen und diese ausschließlich mit viel Liebe und noch mehr Geduld großziehen. Ohne Strafe, ohne Geschimpfe und ohne Drohungen. Ohne Geschrei und ohne Klapse. Die mit Freude an Gesprächsrunden teilnehmen, ruhig und sachlich diskutieren und danach fröhlich und guter Stimmung mit anderen ein bisschen über Allgemeines plaudern. Die Familienfeste lieben, weil man dort all die lieben Verwandten trifft. Die mit anderen befreundeten Gruppen mehrtägige Ausflüge unternehmen - mit hunderprozentigem Gemeinschaftsprogramm. Und die ehrlich betroffen sind, wenn der meistgehasste Kollege von seiner Frau verlassen wird.
Ich bin das Gegenteil: Ich liebe meine Ruhe und schätze individuelle Freizeit als eines der höchsten Güter, die ein menschliches Wesen besitzen darf. Ich freue mich, wenn ein unangenehmer Mensch Pech hat. Ich hatte noch nie das Bedürfnis, einen Beliebtheitswettbewerb zu gewinnnen. (Was auch nie der Fall sein wird.) Andere Meinungen interessieren mich genau so weit, wie sie mit meiner übereinstimmen oder wenigstens einen wohlüberlegten Hintergrund erkennen lassen. Habe ich das Gefühl, jemand plappert einfach nur ein bisschen daher, was er (oder sie) irgendwo gehört hat, werde ich richtig fies und bösartig. Elternabende, Betriebsfeiern und ähnliches vermeide ich so gut wie möglich. Inzwischen besitze ich extra für Gruppenveranstaltungen fast jedweder Art ein reichhaltiges Repertoire an Ausreden, die mich von der Teilnahme befreien. Meist kommt es bei solchen Versammlungen irgendwann zu einem Eklat, Streitereien oder neuen Busenfreundschaften, die wenig später zu den peinlichsten Momenten des Lebens führen.
Richtig schwierig wird es bei der Familie. Ich mag sie wirklich alle (na ja, jedenfalls die meisten) - und am liebsten in homöopathischen Dosen. Paarungswilliger Nachwuchs und Fortpflanzungsfreude lassen die Reihen regelmäßig dichter werden. Leider fehlt mir immer noch die perfekte Ausrede, die mich, für alle einleuchtend und zweifelsfrei, entschuldigt. Oder ein ordentliches Sedativum, das solche Zusammenkünfte erträglich macht. Ganz ehrlich: Auch meine Kinder empfinde ich zeitweise als extreme Geduldsprobe. Leider war Geduld noch nie meine Stärke.
Zum Glück ist Weihnachten weit weg und die Wände unserer Wohnung sind dick. Und endlich begreife ich, warum mein Onkel sich schon seit ewigen Zeiten ebenso vehement wie erfolgreich gegen ein Hörgerät sträubt. Ein sehr netter Mensch übrigens, niemals schlecht gelaunt...
Ich gebe zu, ich bin ein bisschen neidisch.
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Mittwoch, 27. April 2011
Donnerstag, 21. April 2011
Deutschlandreise
Berlin und München liegen auf den ersten Blick weit auseinander. Und auf den zweiten? Noch viel weiter.
Weiß ein Berliner, wie ein Münchner tickt? Was ihn beschäftigt? Was er gut findet, was nicht, was in seinen Augen ein Schmarrn ist? Mal überlegen: Was haben Münchner und Berliner gemeinsam? Sie leben in Deutschland. Und sonst?
Wir sprechen nicht die gleiche Sprache. Das meine ich nicht herablassend, ganz im Gegenteil. Sprache ist ein Teil der Kultur, und wir brauchen unterschiedliche Kulturen! Was sollen denn sonst die ganzen Bildungsreisen-Veranstalter machen? Und selbst das unberührte Mallorca könnte irgendwann von Touristen entdeckt werden!
Zugegeben, ich war schon ewig nicht mehr in Berlin, einer sehr schönen, sehr großen, sehr interessanten Stadt. Lässig und cool und mit jeder Menge Charme. Nun, es zieht mich einfach nicht hin. Vielleicht liegt meine Abneigung auch an einem Berliner Bekannten. Und der ist nicht mal ein echter Berliner; ich vermute, mit seinem übertriebenen Slang kaschiert er den Ursprung aus dem ehemals sozialistischen Umland. Jedenfalls kann ich mit ihm und seiner Art überhaupt nichts anfangen. (Es dürfte auf Gegenseitigkeit beruhen.) Wir haben nicht den gleichen Humor! Und ich sortiere Menschen in genau diese beiden Gruppen: die mit gleichem Humor und, nun ja, die anderen eben.
Was sehr schnell die Frage aufwirft: Versteht er mich? Versteht er die Menschen südlich des Weißwurstäquators überhaupt? Die, die sich mit wenigen Silben ausführlicher unterhalten als andere Völkergruppen in stundenlangen Dialogen. Versteht er den Humor in Süddeutschland? Was uns bewegt? Und was uns vollkommen egal ist? (Hat Gutti abgeschrieben? War Strauß ein Amigo?) Ich fürchte: Nein. Im Urlaub mag das keine Rolle spielen; beruflich wohl schon eher. Und bei der Freizeitgestaltung: Kein Mensch bringt mich in eine Vorstellung von Mario Barth oder Cindy aus Marzahn. Niemals, solange Dieter Hildebrandt und Monika Gruber direkt vor der Haustür sind.
Norditalien, Österreich und die Schweiz samt ihrer Einwohner und auch ihrer Sprache sind mir sehr viel näher als Mittel- und Norddeutschland. Ich habe nicht das Bedürfnis, „da hoch“ zu gehen. Mir gefällt es hier ausgesprochen gut.
Nur eine Frage spukt mir noch im Kopf herum: Wenn wir „im Süden“ so viel Geld haben und so erfolgreich sind, warum haben wir ausgerechnet dort lauter wichtige Menschen, sogenannte Entscheider, über uns sitzen?
Vielleicht sollten wir denen weiter oben nicht so viel Macht geben. Sie verstehen uns sowieso nicht, sie wollen nur unser Geld zum Fenster rauswerfen. Ich glaube, das schaffen wir genauso gut.
Weiß ein Berliner, wie ein Münchner tickt? Was ihn beschäftigt? Was er gut findet, was nicht, was in seinen Augen ein Schmarrn ist? Mal überlegen: Was haben Münchner und Berliner gemeinsam? Sie leben in Deutschland. Und sonst?
Wir sprechen nicht die gleiche Sprache. Das meine ich nicht herablassend, ganz im Gegenteil. Sprache ist ein Teil der Kultur, und wir brauchen unterschiedliche Kulturen! Was sollen denn sonst die ganzen Bildungsreisen-Veranstalter machen? Und selbst das unberührte Mallorca könnte irgendwann von Touristen entdeckt werden!
Zugegeben, ich war schon ewig nicht mehr in Berlin, einer sehr schönen, sehr großen, sehr interessanten Stadt. Lässig und cool und mit jeder Menge Charme. Nun, es zieht mich einfach nicht hin. Vielleicht liegt meine Abneigung auch an einem Berliner Bekannten. Und der ist nicht mal ein echter Berliner; ich vermute, mit seinem übertriebenen Slang kaschiert er den Ursprung aus dem ehemals sozialistischen Umland. Jedenfalls kann ich mit ihm und seiner Art überhaupt nichts anfangen. (Es dürfte auf Gegenseitigkeit beruhen.) Wir haben nicht den gleichen Humor! Und ich sortiere Menschen in genau diese beiden Gruppen: die mit gleichem Humor und, nun ja, die anderen eben.
Was sehr schnell die Frage aufwirft: Versteht er mich? Versteht er die Menschen südlich des Weißwurstäquators überhaupt? Die, die sich mit wenigen Silben ausführlicher unterhalten als andere Völkergruppen in stundenlangen Dialogen. Versteht er den Humor in Süddeutschland? Was uns bewegt? Und was uns vollkommen egal ist? (Hat Gutti abgeschrieben? War Strauß ein Amigo?) Ich fürchte: Nein. Im Urlaub mag das keine Rolle spielen; beruflich wohl schon eher. Und bei der Freizeitgestaltung: Kein Mensch bringt mich in eine Vorstellung von Mario Barth oder Cindy aus Marzahn. Niemals, solange Dieter Hildebrandt und Monika Gruber direkt vor der Haustür sind.
Norditalien, Österreich und die Schweiz samt ihrer Einwohner und auch ihrer Sprache sind mir sehr viel näher als Mittel- und Norddeutschland. Ich habe nicht das Bedürfnis, „da hoch“ zu gehen. Mir gefällt es hier ausgesprochen gut.
Nur eine Frage spukt mir noch im Kopf herum: Wenn wir „im Süden“ so viel Geld haben und so erfolgreich sind, warum haben wir ausgerechnet dort lauter wichtige Menschen, sogenannte Entscheider, über uns sitzen?
Vielleicht sollten wir denen weiter oben nicht so viel Macht geben. Sie verstehen uns sowieso nicht, sie wollen nur unser Geld zum Fenster rauswerfen. Ich glaube, das schaffen wir genauso gut.
Sonntag, 17. April 2011
60 geschenkte Minuten und die Sache mit den Klischees
Kindergetrappel auf der Treppe, die Wohnungstür schließt sich von außen, Ruhe kehrt ein. Sie sind weg! Vor mir liegt etwa eine Stunde himmlischer Ruhe. Die erste Überlegung ist jedes Mal, wie ich diese Stunde am besten ausnütze: eine Runde Mittagschlaf, ein Schaumbad mit Sekt, ein schnulziger Liebesfilm oder was Leckeres zu essen, ohne dass jemand ungefragt die Gabel schnappt und meine Portion mit zwei, drei Bissen um die Hälfte dezimiert. Wie sie halt sind, die gefräßigen Heuschrecken.
Das Problem an Klischees ist, dass sie meist auf geradezu erschreckende Weise zutreffen. Kürzlich ließ ich bei der Einkehrrunde nach dem Sport in kleiner Runde verlauten, dass unsere Schulkinder zu viel Ferien hätten. Die große Anspannung in den etwa sechswöchigen Unterrichtsphasen zwischen den Ferien wäre deutlich kleiner, wenn die Schulzeiten länger wären. Eine logische Rechnung, wie ich finde: mehr Schulzeit = mehr Zeit für den Lernstoff = mehr Zeit für Üben = weniger Stress für alle Beteiligten. Was ich nicht wusste: Ich saß mit drei Lehrerinnen am Tisch.
Ich bekenne mich schuldig: Ich bin kein vorurteilsfreier Mensch; das war ich noch nie. Ich hatte allerdings auch nie einen Grund, dies zu bereuen oder zu wünschen. Junge Männer mit Vollbart zeichnen sich nicht unbedingt durch überbordende Dynamik aus. Kreative Menschen erweisen sich im Umgang als nicht sehr pflegeleicht, Mädchen sind zickig und Jungs wild. Die eine Ausnahme von 100 bestätigt diese Regeln mehr, als sie als Irrtum zu entlarven. Ich muss nur gerade überlegen, welche Ausnahme mir da spontan einfällt.
Ich werde jetzt mein Vollbad inklusive Sekt nehmen, danach was Feines essen und jede Sekunde bis zur Rückkehr meiner bösen Buben auskosten. Und währenddessen sinnieren, was in Wirklichkeit ganz anders ist, als man immer meint.
Das Problem an Klischees ist, dass sie meist auf geradezu erschreckende Weise zutreffen. Kürzlich ließ ich bei der Einkehrrunde nach dem Sport in kleiner Runde verlauten, dass unsere Schulkinder zu viel Ferien hätten. Die große Anspannung in den etwa sechswöchigen Unterrichtsphasen zwischen den Ferien wäre deutlich kleiner, wenn die Schulzeiten länger wären. Eine logische Rechnung, wie ich finde: mehr Schulzeit = mehr Zeit für den Lernstoff = mehr Zeit für Üben = weniger Stress für alle Beteiligten. Was ich nicht wusste: Ich saß mit drei Lehrerinnen am Tisch.
Ich bekenne mich schuldig: Ich bin kein vorurteilsfreier Mensch; das war ich noch nie. Ich hatte allerdings auch nie einen Grund, dies zu bereuen oder zu wünschen. Junge Männer mit Vollbart zeichnen sich nicht unbedingt durch überbordende Dynamik aus. Kreative Menschen erweisen sich im Umgang als nicht sehr pflegeleicht, Mädchen sind zickig und Jungs wild. Die eine Ausnahme von 100 bestätigt diese Regeln mehr, als sie als Irrtum zu entlarven. Ich muss nur gerade überlegen, welche Ausnahme mir da spontan einfällt.
Ich werde jetzt mein Vollbad inklusive Sekt nehmen, danach was Feines essen und jede Sekunde bis zur Rückkehr meiner bösen Buben auskosten. Und währenddessen sinnieren, was in Wirklichkeit ganz anders ist, als man immer meint.
Freitag, 15. April 2011
Weltreise
Vor einigen Tagen kam ich morgens zum Bahnhof. Meine S-Bahn stand fahrbereit da - allerdings auf dem falschen Gleis. Nun, das passiert gelegentlich. Ich stieg ein und packte mein Buch aus. Just in diesem Moment fuhr auf dem Nebengleis, also dem richtigen Gleis, eine weitere S-Bahn ein. Und siehe da, laut Anzeige war es die gleiche Bahn mit gleichem Ziel: „S2 Ostbahnhof“. Ab diesem Moment beobachteten alle Fahrgäste „meiner“ Bahn (mich eingeschlossen) interessiert bis bangevoll den Countdown der Abfahrtszeiten, der sich für beide Bahnen simultan fortsetzte. Die Unruhe stieg mit jeder Sekunde; manche wechselten den Zug, ratlos waren alle. Bei „Abfahrt in 0 Minuten“ fuhr meine S-Bahn los; ich gehe davon aus, die andere folgte kurz darauf. (Sicher bin ich mir nicht.) Der Kommentar einer Mitreisenden war: „Viel Spaß für wenig Geld.“ Darauf ihr Gegenüber: „Oder umgekehrt!“
Am Tag darauf wollten wohl die Bediensteten der Bahn ihren Fehler vom Vortag wiedergutmachen; Kosten einsparen, was auch immer. Jedenfalls wurde meine S-Bahn ersatzlos gestrichen. Ohne Erklärung. Und, hey, es war natürlich einer jener Tage, wo man bei 3 °C doch gern an einem zugigen Bahnhof auf die ungewisse Zukunft wartet. Später dann die üblichen Gründe: Signalstörung, Probleme mit der Steuerungstechnik, zu viel Wind, zu wenig Sonne, zu gleichmäßiger Regen. Überflüssig zu erwähnen, dass die meisten S-Bahnfahrer sich verhalten, als transportierten sie Klopapier und Elektronikschrott.
Vielleicht sollte ich es positiv sehen und mich freuen, dass diesen Winter bisher jede S-Bahn, in die ich eingestiegen bin, funktionierende Bremsen und eine eingeschaltete Heizung hatte.
Meine Eltern haben uns Kindern vor vielen Jahren ein Spiel gekauft: Weltreise. Dabei zieht man Karten und pinnt dementsprechend Fähnchen in die Orte der Welt, die man nacheinander bereisen muss. Mein Lieblingsort war immer Petropawlosk-Kamtschatski. Ja, das gibt es wirklich. Hier wohne ich.
Am Tag darauf wollten wohl die Bediensteten der Bahn ihren Fehler vom Vortag wiedergutmachen; Kosten einsparen, was auch immer. Jedenfalls wurde meine S-Bahn ersatzlos gestrichen. Ohne Erklärung. Und, hey, es war natürlich einer jener Tage, wo man bei 3 °C doch gern an einem zugigen Bahnhof auf die ungewisse Zukunft wartet. Später dann die üblichen Gründe: Signalstörung, Probleme mit der Steuerungstechnik, zu viel Wind, zu wenig Sonne, zu gleichmäßiger Regen. Überflüssig zu erwähnen, dass die meisten S-Bahnfahrer sich verhalten, als transportierten sie Klopapier und Elektronikschrott.
Vielleicht sollte ich es positiv sehen und mich freuen, dass diesen Winter bisher jede S-Bahn, in die ich eingestiegen bin, funktionierende Bremsen und eine eingeschaltete Heizung hatte.
Meine Eltern haben uns Kindern vor vielen Jahren ein Spiel gekauft: Weltreise. Dabei zieht man Karten und pinnt dementsprechend Fähnchen in die Orte der Welt, die man nacheinander bereisen muss. Mein Lieblingsort war immer Petropawlosk-Kamtschatski. Ja, das gibt es wirklich. Hier wohne ich.
Dienstag, 12. April 2011
Die Irrtümer der Besorgten
Heute habe ich alles falsch gemacht. Es fängt damit an, dass am Ende der Punkt fehlt, könnte man auch sagen.
Ich habe meinem Jüngsten schon in der Früh den nackten Hintern versohlt, weil er seit neuestem nicht mehr in, sondern neben die Toilette pinkelt. Dann hat er geweint, während ich mit Putzen und Schimpfen beschäftigt war.
Zwei verhasste Kollegen habe ich ignoriert, indem ich mich just zum Zeitpunkt der Begegnung besonders intensiv mit meinem Handy beschäftigen musste. Ich habe eine komplette Tüte Gummibärchen (die ich gar nicht mag) leergefressen aus Ärger über vermeintlich intelligente Bekannte, die sich via Facebook hochoffiziell mit den schlimmsten Schwätzern des Universums befreunden. Über meine Eltern, die allen Ernstes behaupten, die Grünen hätten die Demonstranten gegen Stuttgart 21 gekauft und im gleichen Atemzug von den wunderbaren roten Rosen schwärmen, die die CDU vor der Wahl großzügig in der Fußgängerzone an Passanten verteilt hat. Und über eine Bekannte, die beständig ein schlechtes Gewissen ihren Kindern gegenüber hat, weil sie und ihr Mann (beide Mediziner) zu wenig Zeit für den Nachwuchs haben. Diesen Konflikt kompensiert sie mittels allsonntäglicher Besuche von Flohmärkten und damit verbundenem Spielzeugerwerb. Die Flohmärkte sind vormittags zwischen zehn und zwölf Uhr. Damit werden sämtliche Unternehmungen wie Wandern und Skilaufen zwar unmöglich, aber sie zahlt für ein vollständiges Playmobilschiff, vier Playstation-Spiele, zwei FC-Bayern-München-Trikots und zweihundert Pokemonkarten insgesamt nur achtzig Euro.
Ich hätte meinen Sohn und sein Malheur heute Morgen ignorieren müssen - und meinen Ärger und die damit verbundenen Konsequenzen bei ein paar anderen Personen auslassen. Die Gummibärchen bringe ich nächstes Mal der hochprozentigen Ex-Chefsekretärin des Hauses vorbei, die jetzt die Post hütet. Ich kann sie gut verstehen.
Ich habe meinem Jüngsten schon in der Früh den nackten Hintern versohlt, weil er seit neuestem nicht mehr in, sondern neben die Toilette pinkelt. Dann hat er geweint, während ich mit Putzen und Schimpfen beschäftigt war.
Zwei verhasste Kollegen habe ich ignoriert, indem ich mich just zum Zeitpunkt der Begegnung besonders intensiv mit meinem Handy beschäftigen musste. Ich habe eine komplette Tüte Gummibärchen (die ich gar nicht mag) leergefressen aus Ärger über vermeintlich intelligente Bekannte, die sich via Facebook hochoffiziell mit den schlimmsten Schwätzern des Universums befreunden. Über meine Eltern, die allen Ernstes behaupten, die Grünen hätten die Demonstranten gegen Stuttgart 21 gekauft und im gleichen Atemzug von den wunderbaren roten Rosen schwärmen, die die CDU vor der Wahl großzügig in der Fußgängerzone an Passanten verteilt hat. Und über eine Bekannte, die beständig ein schlechtes Gewissen ihren Kindern gegenüber hat, weil sie und ihr Mann (beide Mediziner) zu wenig Zeit für den Nachwuchs haben. Diesen Konflikt kompensiert sie mittels allsonntäglicher Besuche von Flohmärkten und damit verbundenem Spielzeugerwerb. Die Flohmärkte sind vormittags zwischen zehn und zwölf Uhr. Damit werden sämtliche Unternehmungen wie Wandern und Skilaufen zwar unmöglich, aber sie zahlt für ein vollständiges Playmobilschiff, vier Playstation-Spiele, zwei FC-Bayern-München-Trikots und zweihundert Pokemonkarten insgesamt nur achtzig Euro.
Ich hätte meinen Sohn und sein Malheur heute Morgen ignorieren müssen - und meinen Ärger und die damit verbundenen Konsequenzen bei ein paar anderen Personen auslassen. Die Gummibärchen bringe ich nächstes Mal der hochprozentigen Ex-Chefsekretärin des Hauses vorbei, die jetzt die Post hütet. Ich kann sie gut verstehen.
Freitag, 8. April 2011
Halali - die Jagdsaison ist eröffnet
Ich wünsche mir die gute alte Zeit zurück. So Mittelalter ungefähr, vielleicht auch ein bisschen vorher. Ich würde mich zur Königin hochschlafen (alternativ auch Herzogin oder sonst was Mächtiges) und ein paar lästige Kreaturen als vogelfrei erklären und zum Abschuss freigeben. Als da wären: eine ganz Riege von Politikern. Und zwar alle, deren Konten regelmäßig mit Zuwendungen aus Industrie und Wirtschaft gefüllt werden. (Kann es wirklich so schwer sein, das herauszufinden?) Vergnügungsreisen und diverse Domizile im Ausland werden ebenfalls dazu gerechnet. Außerdem sämtliche Vorstände - und zuallererst diejenigen, die bei insolventen Unternehmen beschäftigt sind.
Für die Berater und Consultants in unserer Gesellschaft habe ich mir ein besonderes Schmankerl ausgedacht: Es gibt eine Jagd, wie in England, mit allem, was dazugehört. Das Verhältnis von eins (Fuchs) zu dreißig (Reitern) zu hundert (Hunden) wird entsprechend humanisiert. Angesichts der großen Fülle von Beratern und Consultants allein in Deutschland schwebt mir deshalb eine Gruppe von etwa dreißig Kandidaten vor. Und aus der Jagd machen wir einen Hindernislauf. Zuerst müssen sie durch einen Fluss schwimmen. Wahlweise fünfzehn Meter breit mit Stromschnellen oder stehendes Brackwasser mit Blutegeln. Danach kommt eine Klettertour, eine Steilwand hoch, mindestens zweihundert Meter. Mit Seilen, die der Gaudi halber ein bisschen abgeschabt und eingerissen sind. Es folgt ein Spaziergang durch einen Naturpark, mitten durch ein großes Bärengehege, in dem auch ein paar ausgegliederte Wölfe ihre Runden ziehen. Damit das Ganze etwas spannender wird, bekommen die Aspiranten die Augen verbunden und Hände und Füße gefesselt. Im Zeichen des Umweltschutzes am besten mit Gedärm von anderen Tieren. Schlachtabfälle von Kühen bieten sich an. Ganz zum Schluss erfolgt die wichtigste Übung. Teamwork pur. Die Gewinner (wenn es denn welche gibt) erhalten als Preis ein fulminantes Festessen: Sie bekommen delikaten Kugelfisch, den sie zuvor selbst töten und zubereiten müssen. Ohne Anleitung versteht sich. Falls dann immer noch einer übrig ist, lässt sich bestimmt ein Gegner für einen Ultimate Fight finden. Der Herausforderer aus dem Publikum darf sicherheitshalber ein paar Messer mitnehmen.
Der Eintritt ist übrigens gratis, wenn man die Privatadresse eines Berater bei der zuständigen Rekrutierungsbehörde angibt.
Die Welt wäre kein besserer Ort. Aber wir hätten viiiiiiel mehr Geld!
Für die Berater und Consultants in unserer Gesellschaft habe ich mir ein besonderes Schmankerl ausgedacht: Es gibt eine Jagd, wie in England, mit allem, was dazugehört. Das Verhältnis von eins (Fuchs) zu dreißig (Reitern) zu hundert (Hunden) wird entsprechend humanisiert. Angesichts der großen Fülle von Beratern und Consultants allein in Deutschland schwebt mir deshalb eine Gruppe von etwa dreißig Kandidaten vor. Und aus der Jagd machen wir einen Hindernislauf. Zuerst müssen sie durch einen Fluss schwimmen. Wahlweise fünfzehn Meter breit mit Stromschnellen oder stehendes Brackwasser mit Blutegeln. Danach kommt eine Klettertour, eine Steilwand hoch, mindestens zweihundert Meter. Mit Seilen, die der Gaudi halber ein bisschen abgeschabt und eingerissen sind. Es folgt ein Spaziergang durch einen Naturpark, mitten durch ein großes Bärengehege, in dem auch ein paar ausgegliederte Wölfe ihre Runden ziehen. Damit das Ganze etwas spannender wird, bekommen die Aspiranten die Augen verbunden und Hände und Füße gefesselt. Im Zeichen des Umweltschutzes am besten mit Gedärm von anderen Tieren. Schlachtabfälle von Kühen bieten sich an. Ganz zum Schluss erfolgt die wichtigste Übung. Teamwork pur. Die Gewinner (wenn es denn welche gibt) erhalten als Preis ein fulminantes Festessen: Sie bekommen delikaten Kugelfisch, den sie zuvor selbst töten und zubereiten müssen. Ohne Anleitung versteht sich. Falls dann immer noch einer übrig ist, lässt sich bestimmt ein Gegner für einen Ultimate Fight finden. Der Herausforderer aus dem Publikum darf sicherheitshalber ein paar Messer mitnehmen.
Der Eintritt ist übrigens gratis, wenn man die Privatadresse eines Berater bei der zuständigen Rekrutierungsbehörde angibt.
Die Welt wäre kein besserer Ort. Aber wir hätten viiiiiiel mehr Geld!
Dienstag, 5. April 2011
Ein Tag wie jeder andere
Die Sonne scheint, es ist April, und eigentlich könnte alles so schön sein. Genau, könnte! Wären da nicht die kleinen Tücken des Alltags:
Mein Sohn hat als Brotzeit heute fünf hart gekochte Eier dabei, sonst nichts. Weil ich die Termine für das geplante Osterfrühstück im Kindergarten verwechselt habe. Das Frühstück ist in zwei Wochen. Und ich habe im Moment nicht die geringste Ahnung, was ich dafür heute vergessen habe.
Zur Begrüßung bei der Arbeit saß ein kleiner schwarzer Käfer auf meinem Schreibtisch, der aufgrund der Arbeits- und Essensgewohnheiten meiner Kollegin an diesem Platz reichlich Nahrung findet. (Und sich in den kommenden Monaten wahrscheinlich ebenso reichlich vermehren wird.)
Meine unzähligen Paypal-Accounts müllen inzwischen täglich die Mail-Box zu mit der Meldung, ich solle endlich die Daten bestätigen. Das will ich aber nicht! Ich habe auf der ganzen verf…luchten Seite von Paypal nämlich nirgends die Möglichkeit gefunden, Accounts stillzulegen und Daten zu löschen.
Unserem Berater (allein die Bezeichnung spricht Bände) gefällt es, mit welcher Leidenschaft ich morgens den Kaffeeautomaten reinige. Was er bei jedem seiner Termine anmerkt. Also zwei- bis dreimal pro Woche. Ja, genau, dafür habe ich sechs Jahre studiert und einen Hochschulabschluss gemacht. Dafür und für ein paar hundert Euro netto pro Monat.
Dann wäre da noch mein demnächst anstehender Geburtstag. Was bedeutet: Die grauen Haare werden noch mehr, die Friseurtermine noch teurer, die biologische Uhr tickt noch lauter, die nächste Zehnjahres-Marke rückt noch näher. Und meine beruflichen Aufstiegschancen sinken langsam gegen Null.
Der Aircheck im Nebenzimmer macht es nicht besser. (Für Außenstehende: Langjährige Sprecher bekommen erklärt, wie sie fünf Sätze, die Wochen zuvor festgelegt wurden, am besten interpretieren.)
Mein Nervfaktor heute ist also extrem hoch. Das schlimme ist, ich weiß nicht einmal warum. Es sind keine Katastrophen, die mich ärgern, es sind Mini-Probleme. Trotzdem bin ich gereizt, als hätte Guido Westerwelle persönlich mir erklärt, ich müsse ab sofort eine Burqa tragen.
Ich werde jetzt mehrmals tief durchatmen, mir ein Tässchen Kaffee genehmigen und die Aggressionen niederkämpfen. Eigentlich erscheint mir die Vorstellung, ohne Strom auskommen zu müssen (wie die Politiker dem bösen Volk bei weiterer Ablehnung der Atomkraft ständig drohen) gar nicht mehr so abschreckend.
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